Gaisburger Schlachthof
Herrn in cognacbraunem Dreiteiler, der, ohne das »Guten Abend, Herr Dr. Weber« zu erwidern, der Dame am Empfang ein Plastikkärtchen reich te, das sie durch ein Lesegerät zog und ihm zusammen mit einem Chip aus einer Schachtel und einem gewinnenden Lächeln zurückgab. Dr. Weber wandte sich ab und hieb mir dabei sei ne Tasche in die Rippen.
»Flegel!«, murmelte ich.
Das hatte er gehört. Ich blickte in die asymmetrischen Au gen einer Führungspersönlichkeit von aggressiver Intelligenz. Immerhin kapierte er sofort, dass ich zur jüngeren Generation der roten Zoras gehörte, die sich nicht mädchenhaft scheu vor einer Klopperei drückten, besann sich auf eine knappe Entschuldigung und entschwand ins Gebäude, in dem die Maschinen klapperten.
»Frau Nerz«, las die Empfangsdame von meinem Zettel ab. »Zum Judo bitte in den zweiten Stock. Umkleidekabinen gibt es oben. Einen schönen Aufenthalt wünsche ich.«
»Danke.«
Schräg hinter ihr öffnete sich eine Bürotür. In ihr erschien ein wahrhaftiges Riesenbaby von Mann. Er trug einen elefantengrauen Anzug.
»Gertrud? Könntest du mal bitte …« Das Elefantenbaby knetete sich mit Wurstfingern die weichen Backen und nickte mir dabei freundlich zerstreut zu. Gertrud versicherte sich, dass die Kasse verschlossen war, und stand auf. Wobei sie mir einen äußerst griffigen Hintern in blauen Leggins zeigte.
Man hatte die alte Schlachterei ausgebeint und mithilfe von hellblauen Stahlträgern und hellen Hölzern zwei Stockwerke in die Halle gezogen. In den Ober- und Seitenfenstern fing sich die Abendsonne und sprang über die stählernen Zü ge und Stangen der Kraftmaschinen, in denen sich die Gewichte hoben und senkten, bewegt von schweißig oder textil glänzenden Armen, Schultern und Beinen.
Ein blonder Herkules in blauen Hosen und gelbem Shirt stand der Kundschaft zu Diensten. Mit knapp hundert Mark monatlich lagen die Tarife im Snob-Bereich. Das Publikum lag knapp darüber: Consulting-Manager, Akademiker, Gattinnen, Leistungsästhetik.
Die zentrale Treppe war ein luftiges Gebilde aus blondem Holz und hellblauem Gestänge. Auf der dritten Stufe stand ein Muskelkerl in rostrotem Mikrofaserfreizeitanzug mit klaffender Jacke und ließ den Feldherrenblick über die widerstreitenden Kräfte im Maschinenpark schweifen. Seine Hand klimperte nahe dem Geschlecht mit einem Schlüssel in der Hosentasche.
Er machte keine Anstalten zu weichen, als ich auf die Treppe zusteuerte. Sein Blick ruhte unverschämt taxierend auf meinem Gesicht und dem schwarzen Leder meiner Jacke.
Das also war Fritz Schiller. Sally hatte ihn mir beschrie ben: groß, schwarzer Schnauzer, Latino-Augen, Goldkettchen im Brusthaar.
Seine Mimik bereitete sich auf den ersten Kontakt vor, doch da fiel ein Schatten in seine Augen. Es war der Führungsflegel, Dr. Weber, der um die Ecke bog, jetzt in schlabberigen Baumwollhosen und einem kecken Trägershirt, das seine glatten, muskelrunden Schultern voll zur Geltung brachte.
In den Feldherrn kam Bewegung. Die beiden umrundeten sich auf der Treppe steifbeinig wie zwei Rüden vor dem Törchen einer läufigen Hündin. Schiller wandte sich ab und verzog sich in den Saal. Dr. Weber stieg die Treppe hinauf, als sei er es gewohnt, dass die Leute vor ihm Leine zogen.
Auf der zweiten Ebene herrschte hitziges Treiben. Männliche Kraft auf der einen Seite, Bauch-Beine-Po auf der anderen Seite eines verglasten Bistros, an dessen Tischchen ein paar gestylte Damen und Herren sich bei Orangensaft und Mineralwasser regenerierten. Männer mit Nierengürteln wuchteten vor der Spiegelwand die blanken Hanteln. Die Geräte mit den wirklich schweren freien Gewichten, die Drückbänke und Langhantelstangen, parkten in einem Separee hinter der Spiegelwand. Dorthin begab sich Dr. Weber, nahm ein Springseil vom Haken und verschwand zum einsamen Kampf mit sich selbst hinter der Wand.
Die Damen auf dem Aerobicparkett hatten die Problemzonen mit Pullovern kaschiert und rissen vor ihrem Spiegel die Arme hoch. »Zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht und eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht …«, keuchte lächelnd die Vorturnerin, eine lange Schwarzhaarige mit weißem Stirnband, die sich bis ins letzte Glied der ausfahrenden Hände Mühe gab, fürs Fernsehaerobic entdeckt zu werden. Das also war Marianne, die Neue, die Sally aus Gründen, die mir noch nicht klar waren, so missfiel.
In den Vitrinen an der Treppe turnte Sportswear zwischen Dosen mit
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