Galgeninsel
darangesetzt hat, ihn aus dem Geschäft zu drängen. Ob sie ihn finanziell wirklich ruinieren wollte, ist noch nicht klar«, er sah kurz hinüber zu Funk, »sicher ist aber, dass Kehrenbroich als Direktor der Faynbach-Bank für Kandras einerseits Finanzier von Projekten war, andererseits alles unternahm, dass diese Projekte scheiterten. Dass er Kubasch angeheuert hat, um Interessenten zu vertreiben, ist eindeutig belegt. Es wird allerdings schwierig sein, da strafrechtlich ranzukommen. Anna Kandras hat da bereits ihre Strategie zu erkennen gegeben. So wie es aussieht, ist ihr der Tod von Kandras gar nicht recht gekommen, denn dadurch ist sie wohl um einen Triumph gebracht worden – nämlich den, Kandras aus dem Geschäft zu drängen. So wie sich das darstellt, war Kandras auf Grund von Verträgen stark in das Immobiliengeschäft eingebunden und eine Scheidung hätte zu nicht geringen Verlusten geführt. Nach allem, was wir inzwischen wissen, hat Anna Kandras eine langfristige Strategie verfolgt, um ihn loszuwerden – geschäftlich. Eine Strategie, die kurz vor seinem Tod Erfolg zeigte, denn er war pleite. Und der Grund für diese eigenartige Geschichte liegt in einer Misshandlung. Unsere Vermutung, dass Kehrenbroich Kubasch beauftragt haben könnte, Kandras zu töten, wird von dieser Variante unterlaufen, denn genau das, ihn nämlich zu töten, das hatte Anna Kandras nicht vor. Und ihre Einlassungen dazu sind durchaus glaubhaft. Kehrenbroich ist Anna Kandras verpflichtet, vielleicht ist er ihr sogar auf eine bestimmte Art und Weise hörig. Abhängig ist er allemal von ihr. Nach wie vor fehlen uns Sachbeweise. Die Ausführung der beiden Morde lässt darauf schließen, dass wir es mit zwei unterschiedlichen Tätertypen zu tun haben. Kubasch ist meiner Meinung nach von einem Profi, man kann es nicht anders sagen, hingerichtet worden. Ein Treffen, ein kurzes Gespräch, Pistole aus nächster Nähe, Schuss in den Kopf, zweiter Schuss auf den bereits am Boden liegenden in den Brustbereich, und weg. Keine Spuren, keine Zeugen. Sehr kaltblütig. Bei Kandras war das nicht alles so geradlinig. Zumindest hatte der Täter kein passendes Fesselwerkzeug und musste von einem vorhandenen Seil erst ein Stück abschneiden. Der Täter war sicher genauso kaltblütig wie derjenige, der Kandras getötet hat. Ich gehe davon aus, dass er die Tat aber nicht vorbereitet hat, sondern … sich die Tat … ja, sozusagen entwickelt hat.«
Schielin hatte eine Idee, als er den letzten Satz gesagt hatte. Darum kam er schnell und für die anderen überraschend zum Ende. »Hoibner bleibt über Nacht in Haft. Morgen früh Vorführung beim Haftrichter. Das was wir haben reicht für ihn.« Jetzt wandte er sich an Kimmel. »Ich möchte bis morgen noch nachdenken. Mir die weichen Faktoren ansehen.«
Kimmel war irritiert, aber was sollte er machen. Er stimmte Schielin zu, ohne zu wissen was der unter weichen Faktoren meinte zu verstehen. Er faltete seine faltigen, festen Hände, stimmte mit einem kurzen Nicken zu und sah dann in die Runde. Er fragte jeden, ob noch etwas zu sagen wäre, indem er den Betreffenden ansah und seinen Namen nannte. Alle verneinten.
Fast alle. Gommert war der letzte in der Runde und keiner echauffierte sich darüber, dass ausgerechnet er in dieser schwierigen Situation etwas sagen wollte. Es war auch nicht viel. Er sagte lediglich, dass er sich kaum erinnern könne, dass es schon mal zwei solche Morde hier am See gegeben hätte. Er wollte noch etwas sagen, blieb aber im Kramen nach Erinnerungen hängen. Die Runde löste sich auf, ohne dass noch Gespräche aufflammten. Lydia packte Schielin am Arm, als sie mit ihm allein im Büro war. »Du meinst die Kleidung, oder?«
Schielin sah sie verwundert an.
»Na ja. Die Klamotten von Kandras, die ihr so aufgefallen waren. Es wäre nicht sein Stil und so?«
Schielin verstand jetzt. »Ja. Genau das. Das ist es was ich mit weichen Faktoren meine. Das muss doch alles eine Bedeutung haben«, er sah sie an, »und noch eine Frage treibt mich um. Wie bitte in der Welt hat es Kandras geschafft, in die renommierte Firma Kahlenberg einzusteigen? Ausgerechnet dieser ungebildete, rüde Prolet.«
»Wie machen wir weiter?«, frage Lydia.
»Wir machen uns bis morgen Gedanken. Wenn uns nichts einfällt, dann müssen andere ran.«
Schielin sprach noch kurz mit Funk und ließ sich einige Unterlagen geben. Danach suchte er Gommert auf, der schon die Hosenbeine mit den Klammern gesichert hatte, um der
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