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Galgeninsel

Galgeninsel

Titel: Galgeninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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hätte.
    *
    Am Abend kam Lydia. Als Geschenk hatte sie eine Tüte Karotten mitgebracht – für Ronsard. Während sie zur Weide gingen, erzählte sie, dass sie auf Hoibners Boot nichts Ungewöhnliches hatte feststellen können. Ein paar Klebeabzüge mit Fasern und Fingerspuren hatte sie trotzdem gesichert. Man wusste ja nie. Von Martin erwähnte sie nichts.
    Albin Derdes stand schon am Zaun. Er trug eine der knapp über die Knie reichenden, blauen Bauernjacken mit großen Kunststoffknöpfen. Auf dem Kopf saß ein Schildbarrett. Dieser Aufzug gehörte zu ihm wie die roten Backen und die kurzen, stämmigen O-Beine. Er hätte gut als Rinderzüchter in Burgund durchgehen können. Nachdenklich lehnte er am Holzzaun und begrüßte die beiden stumm durch kurzes Heben der Hand. Er sah zu Ronsard, der ein stückweit entfernt stand und mit wachem Blick Schielin und Lydia entgegensah. Als die beiden den Zaun fast erreicht hatten, schnaubte er laut, nickte zweimal kräftig mit dem Schädel und kam bis an den Zaun heran. Lydia begann sofort die Tüte zu leeren. Albin Derdes beobachtete die Szene und meinte besorgt: »Fressen tut er wenigstens noch.«
    Schielin tätschelte Ronsard den Hals. »Albin. Glaub mir. Es ist alles in Ordnung mit ihm.«
    »Aber warum schreit er dann nicht mehr? Seit er hier ist, hat er täglich mindestens einmal Laut gegeben. Und jetzt soll plötzlich Schluss sein? Dafür muss es einen Grund geben, sage ich dir.«
    »Er wird schon wieder schreien, echt«, besänftigte Schielin und fragte: »Was hast du eigentlich mit dem Eselgeschrei für ein Problem?«
    Derdes sah ihn fast weinerlich an. »Ich brauche es. Ich habe mich so daran gewöhnt. Ich habe ja selbst keine Viecher mehr. Und wenn ich früh in der Stube sitze, der Radio spielt, auf dem Herd wird der Kaffee langsam warm, die Zeitung ist da … und dann von hier hinten dieses Schnauben, Gurgeln, Hecheln … und dann dieses lange Jiaahhh. Ich brauche das inzwischen. Wenn er nicht schreit ist es, als wäre der Tag nur die Hälfte wert. Ich kann es dir auch nicht erklären weshalb. Aber ich mache mir nun eben mal Sorgen«
    Derdes sah mit wenig vertrauenerweckendem Blick zu den Friesen, die sorgenfrei ein Stück weiter hinten grasten, »Vielleicht sind die da nicht die rechte Gesellschaft für ihn …«
    Schielin schüttelte resigniert den Kopf und begann sich zu fragen, um wen er sich mehr Sorgen machen sollte, um Ronsard oder seinen Nachbarn. Er ließ Lydia und Derdes an der Weide zurück und machte sich auf in die Küche, putzte Salat, schnitt Knoblauch klein und prüfte den Status der Nudeln minütlich. Nebenbei leerte er eine halbe Flasche roten Italiener. Lydia tätschelte den stummen Ronsard, und als sie Richtung Haus ging, hing Derdes noch immer sinnierend über dem Weidezaun.
    Lydia berichtete von den frustrierenden Ergebnissen ihrer Befragung, die überhaupt nichts erbracht hatte. Schielin hatte da schon mehr Glück gehabt und unterrichtete sie über das, was er bei Mondringer und Hoibner in Erfahrung gebracht hatte. Sie war entsetzt von dem perfiden Vorgehen. So langsam kam zwar etwas Licht ins Dunkel, doch beide waren zu müde, um kühne Tatkonstruktionen zu entwerfen. Sie drehten und wendeten einige der neuen Erkenntnisse hin und her und kamen bald überein, dass sie sich Hoibner am Montag schnappen würden. So sollte die Woche beginnen. Der Sonntag war der Erholung vorbehalten. Kurze Zeit später, als Lydia bereits gefahren war, zog Schielin den Korken aus der dritten Flasche.
    *
    Das Grau des Himmels wandelte sich bis zum Montagmorgen zu bedrohlichem Schwarz. Blickte man an diesem Morgen von Lindau aus nach Osten, war es schwer vorstellbar, dass hinter der depressiven dunklen Wand eine Sonne existieren sollte, die sich über die Berggipfel hinweg erhob und Licht und Wärme in die Welt brachte. In entgegengesetzter Richtung, irgendwo über Konstanz, drang ein dunkel leuchtendes Grün vor die schwarze Kulisse. Kein gutes Zeichen. Auch die Wasseroberfläche des Sees hatte jegliche Spiegelkraft verloren und walkte in schmutzigem Blaugrau mürrisch gegen die Ufersteine.
    Schielin hockte missmutig im Büro, die Kaffeerunde hatte sich aufgelöst und er wartete auf Lydia. Montags brauchte sie immer ein wenig länger. Er blätterte den Stapel mit Berichten und Befunden oberflächlich durch, ohne sich auch nur einer Zeile intensiver zu widmen. Lydia kam nicht. Mufflig ging er den Gang nach hinten in Robert Funks Büro. Der war schwer beschäftigt. Auf

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