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Galgeninsel

Galgeninsel

Titel: Galgeninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Kandras nach. Verheiratet. Eine Tochter. Schielin schüttelte den Kopf. Er hätte erwartet, dass die Ehefrau ihren Mann vermissen würde. Doch auch in der kurzen Niederschrift war sie nicht erwähnt. Schielin verglich nun die Adressen. Beide, Kandras wie auch seine Frau, lebten zwar in der Stadt, aber es waren unterschiedliche Adressen angegeben. Die Tochter lebte den Unterlagen zufolge bei der Mutter.
    Und Dr. Kehrenbroich? Schielin schüttelte den Kopf, denn bei Kehrenbroich handelte es sich um den Direktor der Privatbank Faynbach & Partner. Schielin kniff die Augen zusammen. Ausgerechnet ein Bankdirektor meldete Kandras vermisst? Das war nun mehr als eigentümlich.
     
    Er stand auf und durchquerte flott den Gang, wobei er es vermied, die Dielen an den Stellen zu betreten, an denen es besonders laut knarrte. Es gab da so einige Stellen und die Art und Weise wie er den Gang durchquerte, hätte einem Fremden Gedanken bereitet. Sein Ziel war Robert Funks Büro. Der war zuständig für die Aufklärung von Betrügereien und Eigentumsdelikten und kannte sich in Finanzkreisen vorzüglich aus. Die Bürotür stand zwar offen, trotzdem klopfte Schielin an den Türstock, bevor er eintrat.
    Funk war ein stattlicher Fünfziger mit langen, schlohweißen, lockigen Haaren. Er war dezent gebräunt und trug als einer der letzten Kollegen einen Oberlippenbart, dem die tägliche Zuwendung an jedem Härchen anzusehen war. Funk war eine stattliche Erscheinung und er wäre jederzeit als Bankdirektor durchgegangen.
    Überhaupt war Schielins Kollege in vielen Dingen außergewöhnlich und auf angenehme Weise eigen. Funk war wenig fortschrittswillig, fuhr einen VW Passat im vorgerückten Teenageralter, war seit dreißig Jahren mit der gleichen Frau verheiratet – und er hatte sich im letzten Jahr geweigert, seine Büromöbel gegen das neue grau-graue Kunststoffeinerlei austauschen zu lassen. Das war verständlich, denn die Einrichtung seines Zimmers war sehenswert.
    Funk saß auf keinem dieser lendenwirbelschonenden Fünfpunkt-Drehstühle. Nein. Er residierte in einem eindrucksvollen lederbezogener Lehnsessel. Zudem hatte er ein großes Herz und gönnte seinen Kunden und Besuchern ebenfalls einen für Polizeidienststellen ungewohnten Luxus. Vor dem mächtigen Schreibtisch, Bauhausstil aus den dreißiger Jahren, stand ein sehr bequemer Besuchersessel mit hoher, weicher Lehne. Darunter fristete ein dunkelroter Teppich unbekannter Herkunft sein Dasein. An den Wänden hingen Ölgemälde und in der Ecke, neben dem Regal mit den Kriminalakten, stand ein fahrbares Wägelchen mit Kaffeegeschirr. Eigentlich gehörten dort Karaffen mit Cognac und Whiskey hin. Diesen Stoff stellte Funk aber nicht so offen zur Schau. Seine Büroausstattung stammte aus Sicherstellungen bei Antiquitätenhändlern und die Herkunft des Zeugs war nicht mehr nachvollziehbar. Jedenfalls glich der Raum mehr einem Salon als einem Büro, was zur Folge hatte, dass Besucher meinten, Funk wäre Chef der Lindauer Kripo. Und auch sein Äußeres legte diesen Schluss nahe. Er trug nie Krawatte, sondern Fliege; und davon nicht die einfachen Dinger mit Gummizug. Funk konnte diese Knotenmonster selbst binden. Und zu all dem Äußeren fügte sich noch etwas – er hatte Umgangsformen. Schielin beneidete ihn darum, in welcher Manier er Frauen begegnete, gurrte, Handküsse verteilte, ohne dass es aufdringlich oder gestelzt wirkte. Vielleicht hatte er diese Kunst von einem längeren Aufenthalt in Wien mitgebracht? Es war auf alle Fälle so, dass sich alle gerne in Funks Refugium auf ein Schwätzchen trafen.
     
    Schielin setzte sich unaufgefordert in den Sessel, schnaufte laut aus, ohne es allzu gequält klingen zu lassen und sagte »Kandras.«
    Funk, bisher leger zurückgesunken, richtete sich auf und hob den Kopf. »Oh, oh, oh! Was hast du mit dem denn zu tun? Der gute Kandras sollte eigentlich in meinem Revier aufkreuzen.«
    »Vermisst«, antwortete Schielin kurz und ließ den Blick nicht von Funk ab.
    Der lachte jetzt böse und sagte dann mit wackelndem Kopf: »So, so. Kandras. Vermisst?« Nach einer Kunstpause fügte er trocken hinzu: »Kann nicht sein.«
    »Warum nicht?«, fragte Schielin.
    »Weil ich niemanden kenne, der Kandras vermissen würde.«
    Schielin nickte bedächtig, bevor er herausfordernd sagte: »Aber ich kenne einen, der ihn vermisst.«
    Sein Gegenüber hob kurz das Kinn, um die Antwort einzufordern.
    »Ein Herr Doktor Arnulf Kehrenbroich«
    Funk lachte gekünstelt und

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