Federzirkel 01 - Verführung und Bestrafung
Viola verharrte auf dem Waldpfad oberhalb der Böschung. Da war es wieder, das Rascheln. Gebannt starrte sie auf die Lichtung. Ein Reh stahl sich zwischen den Bäumen hervor und blieb witternd stehen. Nur sein Fell bewegte sich im leichten Wind. Anmutig lief es ins Gras. Nach ein paar Schritten senkte es den Kopf, um seinen Durst an dem Bach zu stillen. Eine gelungene Krönung für die Jagd, die den Morgen andauerte.
Sie musste leise wie eine Schneeflocke sein. Langsam hob sie die Arme, trat an den Rand des Hanges und visierte das Tier an. Der weiche Boden gab nach.
So ein verdammter Mist!
Erde und Steine rollten hinab, das Gepolter vermischte sich in der Lautstärke mit ihrem Schrei und ihre Füße rutschten ins Leere. Sie drohte, kopfüber abwärtszustürzen. Viola warf den Oberkörper zurück und landete keuchend auf dem Gefälle. Von ihrem Motiv sah sie das Hinterteil aufblitzen, während sie weiterschlitterte. Das Reh rannte um sein Leben, vermutlich in der Annahme, ein Bär wollte es fressen. Mit einer Hand hielt sie die neue Spiegelreflexkamera, mit der anderen fand sie nach Luft ringend Halt an einem Strauch. Ihre vorrangige Sorge galt der Kamera. Sie hängte sie aufatmend um den Hals und berührte zaghaft ihren Po, erleichtert, dass er gepolstert war. Ein blauer Fleck, mehr war nicht zu befürchten.
Sie zog sich an einem Gebüsch hinauf, um auf die Beine zu kommen, hangelte von einer Pflanze zur nächsten. Schwer atmend erreichte sie den Pfad. Für einen Moment verharrte sie, bevor sie prustete und in befreiendes Lachen ausbrach. Das erste Mal seit Wochen. An der Caprijeans und der smaragdgrünen Fleecejacke klebten Blätter, sie sah aus wie ein wandelnder Busch.
Sie liebte den Wald, seine Stille und den harzigen Duft, der ihn durchzog. Warme Luft streichelte ihre Haut, während sie das Gesicht der Sonne entgegenhielt. Als Malerin blieb ihr keine Nuance der erblühenden Natur verborgen. Das samtige tiefe Grün des Mooses regte ihre Fantasie an und ihr schwebte eine nackte Schönheit vor Augen, die rekelnd auf einem anschmiegsamen Bett lag. Tizianrote Haare gaben dem Spiel des Windes nach und dunkelroter Satin bedeckte Brüste und Scham. Die gespreizten Schenkel erwarteten ihren Liebhaber, der sich schattenhaft über sie senkte.
Die Zweifel der vergangenen Wochen verschwanden. Nur die Zukunft zählte. Der Frühling bot die perfekten Voraussetzungen für einen Neuanfang.
Sie schwelgte in dem Luxus von freier Zeit. Die hohe Abfindung und ihr Erspartes versüßten die Pause vom Arbeitsleben. Nur einen kurzen Gedanken verschwendete sie an ihren Exboss, den verdammten Dreckskerl. Mit Leib und Seele hatte sie sich in die Arbeit als Assistentin in der Werbeagentur gekniet. Unbezahlte Mehrarbeit, private Aufgaben, alles hatte sie gewissenhaft erledigt, bis zu dem verhängnisvollen Tag. Die klassische Situation, Überstunden, beide allein im Büro. Das Schwein betatschte sie, drängte sie gegen den Schreibtisch. Die Ohrfeige saß.
Gott, was war sie blöd gewesen. Sie hätte seine Absichten erkennen müssen, die zufälligen Berührungen, die anzüglichen Bemerkungen.
Dann traf sie fast der Schlag. Seine sympathische Frau Jocelyn stand in der Tür. Fassungslosigkeit und Schmerz, durch Wut verdrängt, lagen auf dem schmalen Gesicht. Klatschend landete ihre Hand auf seiner Wange. Viola wünschte, im Boden zu versinken.
Jocelyn packte ihren Arm und zerrte sie in den nächsten Pub.
„Ich brauche einen Drink.“
Sie konnte selbst einen gebrauchen.
Die Mandelaugen blitzten, die schwarzen schulterlangen Haare flogen bei den energischen Bewegungen und sie schäumte vor Wut, vor allem auf sich. Dann richtete sie den Zorn auf ihren Mann.
„Ich will Rache, und Geld schmerzt ihn am meisten.“ Eine Reihe Apple Martinis ließ sie beide kichern. „Ich vermute seit Längerem, dass er mich betrügt, und wollte es nicht wahrhaben. Ich entspreche einem Klischee auf zwei Beinen. Daher die vielen Assistentinnen.“ Ihre Augen nahmen einen harten Ausdruck an. „Er wird es bitter bereuen. Dich trifft keine Schuld.“
Der Abend läutete eine Freundschaft ein.
Jocelyn verwandelte sich in eine Rachedämonin direkt aus der Hölle, zwang ihn, Viola eine hohe Abfindung zu zahlen, drohte doch eine Anzeige wegen sexueller Belästigung. In der Nacht klebte sie Wachsstreifen auf seine reichhaltige Brustbehaarung. Sie schnitt jeden Knopf seiner ArmaniHemden ab und warf ihn aus dem Haus.
Viola dachte lieber nicht darüber nach, was
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