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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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ließ eine verirrte Seele schon mal auf dumme Gedanken kommen. Denn welchen Grund sollte sein ehemaliger Schüler haben, ein derart übles Spielchen mit ihm zu treiben? Heute, nach so langer Zeit?
    Also sah er zu, dass er verschwand.
    Der Ausgang kam immer näher. Seine Augen hafteten an der Glastür. Nur noch zehn Meter, neun, acht, sieben, sechs …
    Plötzlich wurde es dunkel.
    Ein Schatten tauchte vor ihm auf.
    Er stoppte, taumelte einige Schritte rückwärts.
    Erschrocken schaute er hoch, doch im gleichen Augenblick blendete ihn das grelle Licht einer Taschenlampe. Alles flimmerte vor seinen Augen.
    Eine bekannte Stimme schallte ihm hämisch entgegen: »Wie sagst du immer so schön: Du solltest dich mal selbst sehen …«
    Darauf folgte ein Lachen, das ihm die Haare zu Berge stehen ließ. Zu spät bemerkte er die Schlinge, die sich um seinen Hals legte.

Kapitel 1
    Fred Recktenwald stand auf und schaute aus dem Fenster. Die Sonne war schon aufgegangen, ein schöner Anblick. Der Sommer war für ihn die schönste Jahreszeit, weil er seinen Weg zur Arbeit bei Tageslicht zurücklegen konnte. Einen Führerschein besaß er schon lange nicht mehr, seit die Polizei ihn betrunken beim Autofahren erwischt hatte. Der Gedanke an einen Idiotentest, oder was man heutzutage alles machen musste, um den Führerschein zurückzubekommen, schreckte ihn einfach ab. Die Angst, das Ergebnis würde am Ende lauten, dass er ein Vollidiot sei, hielt ihn davon ab. Viel zu oft war er in der Schule als Versager beschimpft worden. Diese Demütigungen hatten Spuren in ihm hinterlassen, hatten sein Selbstwertgefühl geschwächt. Lieber verzichtete er auf den Führerschein und ging zu Fuß.
    Er zog sich seinen Anzug an, den er immer trug, wenn er zur Arbeit ging. Es war sein Lieblingsanzug, um nicht sagen zu müssen, dass es sein einziger Anzug war. Er war schon aus der Mode gekommen. Aber das störte Fred nicht. Die graue Farbe passte gut zu seinen grauen Haaren. Und die etwas breiteren weißen Streifen betonten seine schlanke Figur.
    Er verließ sein Häuschen, das sein ganzer Stolz war. Schon seit Jahren wohnte er in dieser kleinen Behausung, die nur notdürftig eingerichtet war. Ein Telefon gab es hier nicht. Auch kein Kabelfernsehen, weshalb er nur das erste, zweite und dritte Programm über seine alte Antenne auf dem Dach sehen konnte. Dafür lag das Haus ganz versteckt – mitten im Dorf Picard bei Saarlouis. Von keiner Straßenseite aus war es zu sehen. Es duckte sich geschickt zwischen die vielen Bäume und Sträucher, die es umgaben. Das machte für Fred seinen besonderen Reiz aus. Er lebte inmitten der Dorfleute, ohne dass diese etwas davon mitbekamen.
    Zufrieden durchquerte er den langen, urwüchsigen Garten, passierte das von Hecken zugewucherte Gartentörchen und gelangte in eine kleine, unüberschaubare Einbuchtung, die ihn zur Dorfstraße führte. So konnte niemand sehen, wo er gerade herkam. Einige Passanten begegneten ihm, die er natürlich höflich grüßte.
    Manchmal wollten sie mit ihm plaudern. Aber er schaffte es jedes Mal, sie mit dem sehr überzeugenden Argument abzuwimmeln, er müsse schleunigst zur Arbeit. Er wollte keine Gespräche, wusste nicht, was er ihnen erzählen sollte. Außerdem war es noch nie in seinem Sinne gewesen, über sich selbst zu sprechen. Denn was gäbe es da schon Interessantes zu berichten.
    Sein obligatorischer erster Gang führte ihn zum Nachbarhaus zu seiner Linken, wo die Tageszeitung im Zeitungsrohr schon auf ihn wartete. Die zog er heraus, klemmte sie unter seinen Arm und der Arbeitstag konnte beginnen.
    Ein langer Marsch stand ihm bevor, denn der Weg zur Teufelsburg war weit. Er überquerte einige Straßen, bis er auf die Felder gelangte, die ihn zu seinem Ziel führten.
    So nach und nach erwachte der neue Tag. Greifvögel zogen hoch am Himmel ihre Bahnen, ein Bussard stieß gelegentlich seinen schrillen Ruf aus. Schwalben besiedelten die Stromleitungen und zwitscherten fröhlich. Vereinzelt kamen Rehe aus dem Dickicht, um in der Sonne zu grasen. In der Ferne krähte ein Hahn. Spaziergänger eroberten die Feldwirtschaftswege und führten ihre munteren Hunde Gassi. Fred zog die frische Morgenluft ganz tief ein. Ein Gefühl von Glückseligkeit bemächtigte sich seiner. Selten hatte er diese Zufriedenheit in seinem bisherigen Leben gespürt. Was wohl der Grund für sein Hochgefühl war?
    Sein Weg zog sich lang hin. Aber Fred war es gewöhnt, weit zu laufen. Er gelangte in ein kleines

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