1579 - Der Kopf des Dämons
Der Mann hinter der Scheibe schloss für einen Moment die Augen.
Scheiße, dachte er, es passiert schon wieder.
Die Anfälle waren ihm nicht neu. Zweimal hatte er sie bereits erlebt, ohne sich einen Reim darauf machen zu können. So schlimm wie jetzt war es bisher noch nicht gewesen. So hysterisch hatte sich Patricia Wells noch nie verhalten.
Normalerweise hätte er sie nicht mehr engagiert, aber sie besaß eine tolle Stimme und war eine der besten Synchronsprecherinnen überhaupt. Außerdem eine gefragte Schauspielerin, und wenn seine kleine Firma nicht zugegriffen hätte, wäre sie längst von der Konkurrenz unter Vertrag genommen worden.
Jetzt war ihr Kopf nach vorn gesunken.
Das Schreien hatte aufgehört.
Pats Augen waren nicht zu sehen, sie schien auf das Manuskript zu starren.
Alex, der Mann hinter der Scheibe, überlegte, wie er sich verhalten sollte.
Aufspringen, auf die andere Seite laufen, es dort mit Worten versuchen.
Das hatte er schon zuvor bei den anderen beiden Anfällen getan, doch viel gebracht hatte es nicht. Gar nichts, wenn er ehrlich war, denn sie hatte ihn überhaupt nicht beachtet. Sie wollte allein bleiben.
Und jetzt?
Ihr Verhalten war schon anders geworden. Der Kopf berührte mit seiner Stirn die Manuskriptblätter, die verrutscht waren. Dabei hatte Pat nur noch wenige Sätze zu sprechen brauchen, aber das war jetzt auch vorbei. Man musste einen neuen Termin vereinbaren. In diesem Zustand konnte sie nicht weitermachen.
Mit einer heftigen Bewegung hob sie ihren Oberkörper wieder an.
Schweiß bedeckte ihr Gesicht. Der feuchte Film vermischte sich mit ihren Tränen. Ihr Blick hatte etwas Panikartiges, sie konnte nie in eine Richtung schauen.
Alex winkte ihr zu.
Sie nahm es wohl wahr, reagierte aber nicht darauf.
Sie war nur mit sich selbst beschäftigt.
Die Hände schlugen auf das Papier. Sie holte tief Luft und presste sie wieder hervor.
Der Anfall war noch nicht vorbei. Irgendetwas steckte weiterhin in ihr.
Das sah auch Alex, Ihr Kopf bewegte sich hin und her. Als wäre sie dabei, etwas zu suchen, das sie letztendlich doch nicht fand.
Und dann - es kam auch für Alex völlig überraschend - sprang sie auf.
Sie schoss regelrecht in die Höhe, aber sie blieb nicht in ihrer Haltung.
Sie fing an, sich zu bewegen.
In ihrem Fall hieß das, dass sie in der engen Kabine hin und her rannte, auch wenn sie nicht viel Platz hatte. Sie sprach dabei mit sich selbst, und sie hielt die Augen weiterhin weit offen.
Alex stöhnte auf. Er fuhr mit beiden Händen durch sein Gesicht. Er war allein mit Pat. Er wusste nicht, was er tun sollte. Sie brauchte Hilfe, das war klar, doch wie sollte er sie ihr geben? Hinlaufen und mit ihr reden?
Das war wohl am besten. Beide kannten sich lange genug. Sie würde zu ihm sicherlich Vertrauen haben.
Mit einem unguten Gefühl machte er sich auf den Weg.
Alex verließ seine Kabine und öffnete wenig später die Tür, die ihn ans Ziel brachte.
Patricia Wells stand auf der Stelle und drehte ihm den Rücken zu. Den Kopf hielt sie gesenkt, die Hände vor das Gesicht geschlagen. Sie zitterte. Ihre Schultern zuckten, und ihr Stöhnen drang an Alex’ Ohren.
Patricia war ihm fremd geworden, und er traute sich kaum, näher an sie heranzugehen. Hinter ihr blieb er stehen.
Er flüsterte ihren Namen, in der Hoffnung, dass sie auf ihn reagierte.
»Pat…«
Nichts!
Er sprach lauter. »Pat, was ist denn los mit dir, verdammt noch mal? Was hast du denn?«
Sie drehte sich nicht um.
Vielleicht waren es die falschen Worte, dachte er und versuchte es erneut. Das heißt, er wollte sie ansprechen, doch dazu kam es nicht mehr, denn die Frau fuhr plötzlich mit einer heftigen Bewegung herum.
Alex schrak zusammen und wich unwillkürlich einen Schritt nach hinten.
Das Gesicht der Frau sah so anders aus. Darin malten sich die Gefühle ab, die sie beherrschten, und da gab es wirklich nichts Positives zu sehen. Pat schien große Qualen zu erleiden. Man musste sie wirklich hart rangenommen haben.
Plötzlich begann sie zu reden. Es waren Sätze, die Alex nicht gefielen und ihm Furcht einjagten.
»Der Tod ist unterwegs, ja, der Tod. Jetzt - in diesem Augenblick…« Sie hatte bei jedem Wort lauter gesprochen und war völlig außer sich. Da gab es keine Verstellung, ihr Verhalten war echt, das sah auch Alex.
Pat wollte noch etwas sagen. Sie musste erst Luft holen, und dann brachen die neuen Worte aus ihr hervor, die Alex einen kalten Schauer über den Rücken
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