Gargantua Und Pantagruel
möglichst früh ins Bett.
Man ißt, man trinkt, man springt ins Nest,
Der Hans ist rasch noch lieb gewest,
Jetzt streckt er sich ... Gottsakrament,
Wenn er doch bloß jetzt schlafen könnt'.
Aus Gretel, pünktlich nach der Uhr,
Ein Fürzlein um das andere fuhr.
Der Hans nicht faul, brunzt ihr nach hinten
Und spricht: ›Auch bei den größten Winden
Hilft allemal ein kleiner Regen,
Damit sie sich auf einmal legen.‹«
»Dazu«, sprach der Landvogt, »haben wir auch noch jährlich eine große und schwere Landplage auszustehn. Ein Riese mit Namen Schnautzhahn nämlich, der auf der Insel Tohu wohnt, kommt alle Jahre im ersten Frühling auf den Rat seiner Ärzte hierher, um sich auszukurieren, und dann schlingt er uns eine große Zahl Windmühlen hinunter wie Pillen; darauf ist er sehr erpicht. Uns aber macht das großen Schaden und beschert uns jährlich drei bis vier Fasttage, der besondern Buß- und Bettage nicht zu gedenken.«
»Könnt Ihr aber«, frug Pantagruel, »dem nicht steuern?« – »Auf den Rat unsrer Herrn Ärzte«, antwortete ihm der Landvogt, »tun wir um die Jahreszeit, wo er gewöhnlich zu uns kommt, eine ganze Menge Hähne und Hühner in die Mühlen. Das erstemal, nachdem er sie verschlungen hatte, wär er bei einem Haar daran gestorben; denn sie krähten ihm im Leib und flogen ihm im Magen umher, daß er in Ohnmacht, Herzschwäche und schauderhaft gefährliche Verzückungen fiel; nicht anders, als wenn ihm eine Schlange durchs Maul in den Magen gefahren wäre.« – »Dies Gleichnis«, sprach Bruder Jahn, »paßt nicht; denn ich hab' vorlängst gehört, daß eine Schlange im Magen niemandem Leids tue und gleich wieder ausfahre, wenn man den Kranken bei den Beinen nimmt und ihm ein Pfännlein warmer Milch vor den Mund hält.« – »So habt Ihr's«, sprach Pantagruel, »wohl sagen hören, und die gleichfalls, die's Euch erzählten; aber niemals hat man die Kur mit Augen gesehen oder gelesen.«
»Ferner«, fuhr der Landvogt fort, »rannten auch alle Füchse des Landes den Hühnern nach, ihm in den Hals; und er wäre des Todes gewesen, wenn er nicht den Rat eines schnurrigen Zaubrers befolgt hätte und als Gegengift, just in der Stunde des Paroxysmus, einen Fuchs geschunden hätte. Seitdem hat man's noch schlauer probiert und gibt ihm jetzt ein Klistier dagegen aus Roggen- und Hirsekörnern für die Hühner, und von Gänslebern für die Füchse. Auch läßt man ihn Pillen einnehmen von Dachs- und Windhundsfleisch. Ist das nicht Kreuz genug für uns?« – »Seid nur ohn Furcht, ihr lieben Leut, hierfür«, sprach Pantagruel. »Denn dieser große Windmühlenfresser Schnautzhahn ist tot, ich kann's bezeugen; und zwar erstickte er an einem frischen Butterwecken, den er auf Vorschrift seiner Ärzte an einem heißen Ofenloch aß.«
Vierunddreissigstes Kapitel
Wie Pantagruel auf das Eiland der Papfeiger [Fußnote: Papefigue, papafico, eigentlich Feigenschnepfe, hier für Sykophant (Aufpasser, Schikaneur, Verleumder. Die Papfeiger sollen, wie auch Voltaire annahm, die Protestanten sein, die dem Papst die Feige bieten, seiner spotten. Mit den Fröhlingern sollen die Deutschen gemeint sein, die sich bei verschiedener Gelegenheit, wie bei der Plünderung Roms (1527), sehr munter aufführten. Gegenfüßler sind die Papimanen, die Papstnarren.] kam
Am andern Morgen erreichten wir das Eiland der Papfeiger, das war einst ein reiches und freies Volk gewesen, denn sie hießen die Fröhlinger; nun aber waren sie elend, arm und den Papimanen unterwürfig. Die Ursache war folgende: An einer der jährlichen Prozessionen waren die Bürgermeister, Syndici und Oberrabbiner von Fröhlingen erholungshalber und um das Fest mit anzusehen, nach dem nahegelegnen Eiland Papimanien hinübergefahren. Als nun einer von ihnen des Papsten Bildnis sah (wie es bei jeder Prozession die löbliche Gewohnheit war, es öffentlich der Welt zu zeigen), bot er ihm die »Feige«, was in dem Land ein offenbares Zeichen der Verachtung und des Hohnes ist. Zur Rache hierfür erhoben sich nun ein paar Tage darauf in Waffen sämtliche Papimanen, riefen nicht lang erst Kopf weg!, überfielen, plünderten und verwüsteten das ganze Fröhlinger-Eiland, ließen alles über die Klinge springen, was Haar am Kinn hatte; nur den Weibern und jungen Knaben verziehen sie unter ähnlichen Bedingungen wie weiland Kaiser Friedrich der Rotbart den Mailändern.
Die Mailänder hatten in seiner Abwesenheit wider ihn sich aufgelehnt und sein Gemahl, die
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