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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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Schäferwagen.
    »Ich hab's!«, rief sie. »Ich hab's, ich hab's! Stöckchen! Stöckchen!«
    Das Stöckchen, das Rebecca unter dem Wagen hervorzog, war ein ausgewachsener Ast, und Vidocq sprang plötzlich auf und ab wie ein großer begeisterter Schneeball.
    Die Schafe konnten den allgemeinen Enthusiasmus nicht ganz nachvollziehen. Ein Ast. Na und? Im Wald gab es viele Äste!
    Rebecca hielt den Ast über den Kopf und wedelte mit ihm hin und her. Vidocq wirbelte um sie herum, baffte und zeigte seine rosa Zunge. Dann flog der Ast durch die Luft, und Vidocq flog hinterher. Er erwischte den Ast noch in der Luft, raste in weitem Bogen über die Weide, hütete im Vorbeirennen ein paar Schafe und sauste dann wieder auf Rebecca zu, die sich vor Aufregung kaum noch helfen konnte.
    »Fein! Guter Junge! Brav! Bring das Stöckchen! Wo ist das Stöckchen?«
    Die Schafe trauten ihren Ohren nicht. Sie grasten hier Tag für Tag vorbildlich unter schwersten Bedingungen und fanden nebenbei sogar noch Zeit, Rebecca vor dem Garou zu beschützen. Nicht ein Wort! Und nun geriet ihre Schäferin völlig aus dem Häuschen, weil der Hund einen Ast über die Weide trug.
    Vidocq legte den Ast vor Rebeccas Füße, Rebecca hob ihn auf, und wieder flog der Ast. Vidocq hinterher. Der Ast hatte keine Chance.
    So ging das eine ganze Weile.
    Die Schafe sahen sich an, wackelten mit den Ohren und verdrehten die Augen. Alle bis auf Zora.
    »Seht euch das an!«, sagte sie. »Wie er hinter dem Ast her ist! Er kann nicht anders!«
    Es stimmte: Vidocq folgte dem Ast wie ein Besessener. Dabei interessierte er sich kaum für ihn, wenn er ihn erst einmal zwischen den Zähnen hatte. Er interessierte sich für die Bewegung.
    »Erjagt!«, sagte Cordelia und schauderte.
    Und dann traf der Ast Mopple am Kopf, Mopple the Whale, der nichtsahnend am Hang graste. Mopple riss die Augen weit auf und fiel um - auf den Ast. Im nächsten Moment hatte sich Vidocq auf den dicken Widder gestürzt. Mopple blökte panisch, konnte aber nicht aufstehen, weil Vidocq auf ihm saß und nach dem Ast schnüffelte, undVidocq konnte den Ast unter Mopple nicht finden und bewegte sich deswegen nicht vom Fleck.
    »Oh shit!«, sagte Rebecca und rannte den Hang hinauf, um Vidocq und Mopple zu trennen. Dann war erst mal Schluss mit dem Ast.
    Rebecca und Vidocq kehrten zurück zum Schäferwagen und guckten wieder melancholisch.
     
    Mopple stand lange Zeit einfach nur da, mit weiten, starren Augen, und tat gar nichts. Er kaute nicht einmal, und das war für Mopple ausgesprochen untypisch. Schließlich blinzelte er.
    Die Erinnerung war zurück, die ganze Erinnerung. Plötzlich. Mopple versank in ihr wie in Wasser. Er war einmal in Wasser getaucht worden, zu Hause in Irland, irgendwelcher dubiosen Parasiten wegen, und auf einmal erinnerte er sich genau: Kälte und ein Gefühl des Schwebens. Kälte und Enge. Kälte und Angst.
    Mopple schnappte nach Luft. Da war Irland und das Meer und George und der Metzger. Süßkraut und Heu und Rebecca, Europa und die schmackhafte Landkarte. Sehr viel Kraftfutter. Die Geschichte vom Garou und Ziegen und Bernie und der Wolfhund. Der Häher, Blumen und Krokodile. Frische kalte Nachtluft, Mondlicht und ein Heulen. Viel zu viele Bäume und auf einmal ein sehr schlechtes Gefühl. Ein Gefühl des Lauerns. Beschleichens. Dann ein Reh, das im Schnee lag und schlief - wie tot. Auf einmal - wie durch ein Wunder - Zora, und dann eine Bewegung hinter Mopple - ein Zweibeiner, aber vielleicht kein Mensch. Der Zweibeiner jagte hinter Zora her, und Mopple stand starr vor Entsetzen.
    Er war bei dem schlafenden Reh geblieben. Das Reh war zwar keine Herde, bei weitem nicht, aber es war besser als gar niemand. Erst als der Wald begann, schon grau und morgenrosig zu werden, hörte er wieder etwas: der unheimliche Zweibeiner kam zurück.
    Mopple wollte weg. Hinaus aus dem Wald. Sofort. Und dann fiel ihm etwas ein, etwas, das man tun konnte, wenn man irgendwo herauswollte. Vernünftig war es nicht.
    Mopple the Whale plumpste in den Schnee und spielte tot. Ohne Zappeln, ohne Blöken. Einfach tot. Der Zweibeiner beachtete ihn nicht. Vielleicht konnte er Mopple im nächtlichen Schnee gar nicht sehen. Er hockte sich über das Reh und wartete. Und wartete. Zeit verging. Mopple spielte weiter tot. Der Zweibeiner legte seine Hand auf das Reh, und die weiße Hand und die graue Flanke hoben und senkten sich gemeinsam im dünnen Morgenlicht. Es gefiel Mopple nicht. Er verstand nicht viel von

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