Garten des Lebens
nebeneinander die Straße hinunter und Vivian erzählte ihm von dem Garten, obwohl sie wusste, dass sie abschweifte. Er hatte es nie gemocht, wenn sie so viel redete, doch sie fürchtete, dass er bald wieder fort musste, und es gab noch so vieles, was sie ihm sagen wollte. “George, ich bin mir sicher, dass Martha mich bestiehlt. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Jedes Mal, wenn sie zum Putzen kommt, beobachte ich sie mit Argusaugen, und trotzdem fehlen immer wieder Dinge. Ich kann doch nicht zulassen, dass sie mich bis aufs Hemd ausnimmt – und trotzdem kann ich sie nicht einfach feuern … nach all den Jahren. Was soll ich tun?” Sie hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass er antworten würde, und tatsächlich schwieg er.
Dann, plötzlich, sah sie ihr Haus. Sie waren in der Chestnut Avenue, in der sie seit 1961 lebten. Mühsam ging sie auf den Eingang zu, hielt sich am Geländer der Treppe fest und zog sich Stufe für Stufe hoch. Als sie sich umdrehte, um George für seine Hilfe zu danken, war ihr geliebter Ehemann verschwunden.
“Oh, George”, seufzte sie und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. “Komm zurück zu mir … bitte. Bitte komm zurück.”
2. KAPITEL
S usannah Nelson füllte den übrig gebliebenen Broccolisalat in eine Plastikschüssel, stellte sie in den Kühlschrank und schloss die Tür mit unnötigem Nachdruck. Brian, ihr siebzehnjähriger Sohn, war nach dem Abendessen einfach in sein Zimmer verschwunden und hatte sie mit dem schmutzigen Geschirr alleingelassen. Das war eigentlich nichts Neues mehr. Und jedes Mal hatte er eine andere Entschuldigung parat, um sich vor seinen Haushaltspflichten zu drücken.
“Bist du sauer?”, fragte ihr Ehemann von seinem Sessel im Wohnzimmer aus. Joe ließ die Zeitung sinken, aber alles, was Susannah von ihm sehen konnte, waren seine Augenbrauen und die Augen hinter den Gläsern seiner Lesebrille.
Sie zuckte mit den Schultern. “Wahrscheinlich ist es dir gar nicht aufgefallen, aber dies ist das dritte Mal in Folge, dass Brian sich um den Abwasch drückt”, grollte sie und war selbst ein wenig erstaunt über den Unwillen in ihren Worten.
“Ich mache es”, bot er an.
“Darum geht es nicht. Du bist nicht dran mit Abwaschen”, erwiderte Susannah. “Und ich auch nicht.”
Joe faltete die Zeitung zusammen und legte sie zur Seite. “Es geht nicht um Brian, stimmt's? Du bist wegen etwas anderem wütend.”
“Ich bin wütend darüber, dass er sich immer wieder aus der Verantwortung für den Haushalt stiehlt, aber du hast recht, das ist nicht alles.” Seit Wochen war sie gereizt und fühlte sich niedergeschlagen. Sie konnte nur leider keinen genauen Grund für ihre Unzufriedenheit finden.
In der vergangenen Nacht hatte sie wieder von Jake geträumt. Seit einiger Zeit erschien ihr der Highschool-Freund beinahe jede Nacht im Traum, und das verwirrte sie sehr. Susannah war glücklich verheiratet, und trotz des jähen Endes dieser Jugendliebe gab es keinen Grund für sie, noch länger an Jake zu hängen. Ihre Ehe hatte den Krisen standgehalten, die in jeder guten Partnerschaft vorkamen. Die Kinder waren fast erwachsen – Chrissie ging aufs College und lebte ihr eigenes Leben, und Brian hatte einen Sommerjob in einer Baufirma, wo er genug Geld verdienen würde, um seine Autoversicherung selbst zu bezahlen. Nachdem die Kinder selbstständiger geworden waren, hatte Susannah wieder angefangen, als Lehrerin zu arbeiten. Heute war der letzte Unterrichtstag gewesen, und ihre Klasse erwartete überglücklich die Sommerferien. Sie würde für die nächsten sieben Wochen freihaben. Ihr Leben war gut so. Warum also träumte sie nach mehr als dreißig Jahren von Jake? Es ergab keinen Sinn. Und trotzdem war er da und erfüllte ihre Gedanken mit der Erinnerung an eine längst vergangene Liebe.
“Die Schulferien stehen vor der Tür”, erinnerte Joe sie. “Das sollte dich ein wenig aufheitern.”
Er hatte recht – das sollte es. Susannah brauchte diese Pause. Vielleicht brauchte sie sogar mehr als eine Pause – eine Veränderung. Wie diese Veränderung aussehen sollte, wusste sie nicht. Sie würde im Sommer Zeit haben, um darüber nachzudenken.
“Du bist ruhelos, seit dein Vater gestorben ist”, bemerkte Joe behutsam. Er warf ihr einen Blick zu. “Vielleicht solltest du einmal mit jemandem darüber reden.”
“Willst du damit sagen, dass ich mich mit einem Psychologen unterhalten soll?” Ihr missfiel der Gedanke, dass es so weit
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