Gebieter der Dunkelheit
Sie, Sie genießen Ihren Urlaub, ja?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging die Köchin mit ihrem Sohn weiter.
Als Naomi in die Küche kam, stand Jillian an der Spüle und belegte gerade eine Scheibe Brot mit Käse. »Guten Morgen, die Herren haben keine Zeit zum Essen. Ich schmiere ihnen gerade ein paar Brote und bringe sie ihnen.«
»Du verwöhnst sie aber ganz schön.« Unbedarft hatte Naomi die Worte ausgesprochen. Nun erinnerte sie sich an die letzte Nacht und wandte sich verlegen den Chafing-Dishes zu. Umständlich nahm sie einen Teller und schaufelte sich Rührei darauf.
Hinter ihrem Rücken räusperte sich ihre Cousine. »Wir haben dich bemerkt.«
»Was?« Mit hochrotem Kopf flog Naomi herum und hätte dabei beinahe das Ei auf dem Boden verteilt. Sie schob es wieder in die Mitte des Tellers und fragte sich, ob ihre High Heels zu sehr auf dem Kellerboden geklappert hatten oder ob der Stoff ihres Kleids zu laut geraschelt hatte.
Jillian lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und fuhr zögerlich fort: »Wenn es dir … wenn es für dich zu peinlich ist, darüber zu sprechen, lassen wir das Thema fallen. Aber im Weinkeller bist du nicht entsetzt weggerannt, als du uns, nun ja, erwischt hast. Deshalb denke ich, dass du … aufgeschlossen bist.«
»Ihr könnt tun und lassen, was ihr wollt«, beeilte sich Naomi zu sagen und meinte es auch so. Jill, Jeff und Malcolm waren sich einig gewesen und miteinander harmonisch verschmolzen. Das Lustspiel hatte trotz Grenzüberschreitung nichts Schmutziges oder Verwerfliches an sich gehabt, sondern war getränkt von aufrichtigem Begehren gewesen. Dennoch brannte ihr eine Frage auf der Zunge. »Seid ihr kein bisschen eifersüchtig?«
»Wenn ich Jeff dabei ertappen würde, wie er mit einer anderen Frau schläft, würde ich ihm die Augen auskratzen.« Jillian zwinkerte und biss ein kleines Stück vom Käsebrot ab. Nachdem sie es heruntergeschluckt hatte, trank sie einen Schluck von ihrem Kaffee. »Aber das gestern haben wir gemeinsam gemacht. Ich will ehrlich zu dir sein, es war nicht das erste Mal.«
»Ihr macht so etwas öfters?« Naomi gab einige Scheiben Bacon zu ihrem Ei, steckte das letzte Stück direkt in den Mund und setzte sich an den massiven Küchentisch. Genüsslich kaute sie darauf herum, während sie kaum glauben konnte, was ihre Cousine ihr offenbarte.
Verschmitzt lächelnd nahm Jill gegenüber von Naomi Platz. »Ab und zu, wenn uns jemand gefällt, uns beiden, das ist wichtig. Eifersucht kam noch nie auf. Es geht uns nicht darum, aus unserer Ehe auszubrechen, sondern unser Sexleben lebendig und abwechslungsreich zu gestalten.«
»Ihr seid sehr offen«, stellte Naomi neidvoll fest und aß ihr Rührei. Ihre Gedanken waren auf einmal bei Cheng. Ihr Magen verkrampfte sich. Vielleicht hatte sie beim Dinner zu viel gegessen. Möglicherweise lag es auch an den Problemen in ihrer Beziehung. Lustlos stocherte sie in der Eimasse herum.
»Auch wir haben unsere Tabus.« Jill schlürfte ihren Kaffee. »Wichtig ist, darüber zu sprechen und Verständnis für den anderen aufzubringen. Auch für sexuelle Wünsche. Wir machen uns ausschließlich gemeinschaftlich auf die Suche nach einem neuen Kick. Das schweißt uns zusammen.«
Neid schwang in Naomis Worten mit: »Du kannst dich sehr glücklich schätzen, dass ihr auf einer Wellenlänge schwimmt.«
»Das bin ich auch. Aber dich scheint etwas zu belasten.« Jill legte ihr Käsebrot auf Naomis Teller und faltete ihre Hände zusammen. »Ist bei dir und Cheng alles in Ordnung?«
Kopfschüttelnd schob Naomi den Teller weg. »Cheng würde so etwas niemals tun! Er … das Bett war bis auf einige wenige Ausnahmen der einzige Ort …« Sie atmete tief durch und fasste sich ein Herz. »Er hat kaum noch Lust. Manchmal denke ich, er schläft nur mit mir, weil es zu einer Beziehung dazugehört. Wie ein Punkt unter vielen, den es abzuhaken gilt.«
Jill leerte ihre Tasse und stellte sie geräuschvoll ab. »Eventuell solltet ihr mal etwas Neues ausprobieren.«
»Experimenten gegenüber ist er nicht aufgeschlossen.« Er würde ausflippen und sie für völlig pervers halten, wenn sie ihm zum Beispiel vorschlagen würde, sie doch mal ans Bett zu fesseln. »Cheng ist fürchterlich strukturiert. Sex stört seinen Plan, den er sich für den Tag zurechtgelegt hat. Spontanität gehört nicht zu seinen Stärken. Dass ich Hals über Kopf Urlaub genommen habe, hat ihn aus der Bahn geworfen.«
»Dann bist du gekommen, um über euch
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