Gebieter der Dunkelheit
noch nach außen hin ein Paar. Außer Pinpoint Precision haben wir keine Gemeinsamkeit mehr. Du hast nicht einmal mehr Lust auf mich.«
»Erst in der Nacht vor deiner Abreise habe ich dich zum Höhepunkt gebracht«, empörte er sich.
»Ich musste dich dazu überreden. Es war reine Pflichterfüllung für dich.« Beruhigend hob sie beide Hände, da sein Teint rote Flecken bekam und verriet, dass sie Recht hatte. »Es ist in Ordnung. Auch mir fällt es schwer loszulassen, aber wenn du ehrlich bist, weißt auch du, dass unsere Beziehung keine Zukunft hat.«
»Was willst du damit sagen?« Er nahm seine Brille von der Nase, putzte die Gläser mit dem Saum seines Pullovers und setzte sie wieder auf, ein deutliches Zeichen für Naomi, dass er nervös war.
»Die Liebe hat sich heimlich und leise davongestohlen, das ist mir auf Maroon bewusst geworden. Wir sind nur noch zusammen, weil wir es schon eine Ewigkeit waren, aus Gewohnheit.« Aus Bequemlichkeit.
Er wirkte betroffen, aber auch nachdenklich.
»Wir haben uns in verschiedene Richtungen entwickelt, haben inzwischen unterschiedliche Bedürfnisse, Ansichten und Erwartungen an das Leben, an eine Partnerschaft«, sie fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht, »manchmal ist es eben so.«
»Ich weiß, dass ich zu viel arbeite«, gab er zu, »aber das kann doch nicht der Grund für deine Entscheidung sein, mich … mich zu verlassen.«
»Wir sind zusammengekommen, als ich erst achtzehn Jahre alt war. Mit neunzehn bin ich schon bei dir eingezogen, und seitdem helfe ich in deiner Firma mit.«
»Du möchtest etwas erleben, die verlorenen Jahre nachholen.« Cheng heuchelte Verständnis vor, aber in Wahrheit hörte Naomi den Vorwurf zwischen den Zeilen genau heraus. Er lehnte sich zurück, als wollte er mehr Abstand zwischen sich und Naomi bringen, denn sein Blick verriet ihr, dass er sich zurückgewiesen fühlte und gekränkt war.
»Ich bereue die acht Jahre mit dir nicht. Wir hatten wundervolle Zeiten, sonst wäre ich nicht so lange mit dir zusammengeblieben.«
Er hob seine Augenbrauen. »Du sprichst schon in der Vergangenheit?«
»Du hast dich zunehmend darauf konzentriert, Pinpoint Precision ganz nach vorne zu bringen, und du hast alles andere auf dieses Ziel ausgerichtet.« Aber er hatte sie dafür geopfert. Sie war ohnehin viel zu geduldig mit ihm gewesen. Das war jetzt vorbei. Ab sofort würde sie wieder mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse achten. »Du hast mich vernachlässigt.«
»Das hättest du mir sagen sollen.« Seine Mundwinkel zogen sich nach unten.
Sie schnaubte. »Wie oft habe ich dich gefragt, wann wir denn mal länger verreisen könnten, nur wir beide? Ich habe dir klar zu verstehen gegeben, dass mir die Momente, die wir für uns haben, zu wenig sind, und dass wir kaum noch miteinander lachen.«
Chengs Miene war wie versteinert, aber seine Augen glänzten feucht. »Das hast du«, gestand er ein, »aber ich ahnte nicht, wie schlimm es um dich steht.«
»Um uns«, korrigierte sie ihn und brachte es auf den Punkt: »Du hast mich nicht ernst genommen.«
Zu ihrer Überraschung gestand er: »Das war nicht meine Absicht.«
»Leider ändert das nichts an der Situation.«
»Die Arbeit wird immer mehr. Ich weiß oft nicht, wo mir der Kopf steht.« Er massierte seine Schläfen. »Ich könnte versuchen, früher Feierabend zu machen. Vielleicht kann ich meine Sechstagewoche auf fünf verkürzen und samstags zu Hause bleiben. Unter Umständen …«
»Cheng«, unterbrach sie ihn scharf. Sie war es so leid, von halbherzigen Versuchen und Versprechungen zu hören. »Das hättest du vor langer Zeit schon machen sollen.«
Er schluckte schwer, sein Kehlkopf hüpfte. »Du bist fest entschlossen, nicht wahr?«
Naomi nickte. Das war sie tatsächlich. Sie hatte sich entschieden und wusste endlich, was sie wollte, und das war nicht Cheng.
»Das muss ich akzeptieren«, seine Stimme klang belegt, »auch wenn ich nicht weiß, warum du mir nicht noch eine Chance gibst.«
»Die hattest du, mehr als eine.«
»… und wie es weitergehen soll«, vollendete er seinen Satz verschnupft.
Ihr Gefühl sagte ihr, dass er in diesem Moment Pinpoint Precision meinte, aber sie mochte ihm auch Unrecht tun. Sie würde ihm nicht den Rücken zukehren, sondern für ihn da sein, jedoch nur noch als platonische Freundin.
Sie erhoben sich beide, und Naomi sah zu, wie Cheng mechanisch seine Sachen packte.
Ihre Augen wurden feucht, da eine Trennung wahrlich kein Grund zur Freude war, weil damit
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