Gebieter der Träume
Haar war wie immer tadellos gekämmt, und er hatte fröhliche braune Augen und süße Grübchen. »Alles klar bei dir?«
»Ich bin müde.«
Er kratzte sich am Kopf, als ob er von ihrer Antwort verblüfft wäre. »Du hast letzte Nacht vierzehn Stunden geschlafen.«
Sie tätschelte seinen Arm. »Ich weiß, aber ich bin immer noch müde.«
»Vielleicht brauchst du eine ärztliche Untersuchung.«
Ich sollte eher meinen Kopf untersuchen lassen. Sie schob den Gedanken zur Seite und lächelte ihn an. »Mir geht’s schon besser, wirklich.«
Zumindest wäre es so, wenn diese merkwürdigen Erscheinungen sie nicht mehr heimsuchen würden. Selbst jetzt fühlte sie sich noch so, als würde jemand sie beobachten …
Arik hätte am liebsten frustriert geflucht, als er sah, wie Megeara einen anderen Mann anlächelte. Warum verfiel sie seinem Serum nicht? Warum hörte sie nicht auf seine Bitten?
Wie konnte eine gewöhnliche sterbliche Frau so stark sein?
»Arikos?«
Wieder fiel Licht in seine dunkle Kammer, und er stieß müde einen Seufzer aus, als er die Stimme seines Onkels Wink hörte. Arik war es allmählich wirklich leid, dass er dauernd unterbrochen wurde, da er doch nur mit dieser menschlichen Zielperson zusammen sein wollte.
»Was ist denn?«
»Mir wurde gesagt, ich solle mein Schlafserum bei dir abholen. Du missbrauchst es offenbar und machst deinen Menschen krank.«
Arik rollte sich herum, um den älteren Schlafgott anzusehen. Das lange braune Haar von Wink war zu einem Zopf geflochten, der ihm nach hinten über den Rücken hing. Seine hellgrauen Augen funkelten vor Missfallen. Obwohl Wink einer der ältesten Götter war, hatte er das Wesen eines Dreizehnjährigen. Er liebte nichts mehr, als Streiche zu spielen und andere zu ärgern – und genau wegen dieser Dinge waren Arik und seine Brüder verflucht worden.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie von den anderen Göttern zu leicht verführt und manipuliert werden konnten. Sie hatten zugelassen, dass sie von Wink, Hades und den anderen für Streiche und persönliche Fehden instrumentalisiert worden waren.
Bis zu dem Tag, wo Zeus der Sache ein für alle Mal einen Riegel vorgeschoben hatte. Komisch, dass er nur die Werkzeuge bestraft hatte und nicht diejenigen, die sie benutzt hatten.
Aber Zeus war auch nicht gerade als ein Gott bekannt, der besonders gerecht war.
»Und wenn ich das Serum behalten will?«
Wink zog eine Augenbraue hoch und stieß ein missbilligendes Schnalzen aus. »Nun komm schon, Arikos, du kennst doch die Regeln.« Sein Gesicht wurde ernst. »Und du weißt auch, was mit denen passiert ist, die nicht kooperieren.«
Natürlich wusste er das. Alle wussten es. Auf seinem Rücken hatte Arik mehr Narben, als Sterne am Himmel standen. Manchmal hatte er seinen Großvater Hypnos, der ihre körperlichen Züchtigungen überwachte, im Verdacht, ein Sadist zu sein, der nur dann Vergnügen empfinden konnte, wenn er anderen Schmerzen zufügte.
Wie grausam es war, die Skoti loszuschicken, damit sie menschliche Exzesse abmildern sollten, und sie dann dafür zu bestrafen, wenn sie nicht gehen wollten, weil sie endlich einmal etwas anderes als Schmerzen erlebten?
Aber so war es nun mal.
Nach seiner Unterhaltung mit M’Ordant hatte Arik gewusst, dass dies hier passieren würde. Es hatte keinen Zweck zu argumentieren. Wink war geschickt worden, um das Lotus-Serum zurückzuholen, das sie bei den Menschen anwandten. Und wenn man den gesamten Olymp bestach, es würde M’Ordant nicht umstimmen. Wink war nur eine kleine Nebenfigur, der den Schlafgöttern diente.
Arik zog das Fläschchen heraus und übergab es Wink, der es mit stoischem Lächeln in Empfang nahm.
»Kopf hoch, alter Junge. Da draußen gibt es noch jede Menge anderer Träumer, mit denen du spielen kannst. Die Menschheit ist in dieser Beziehung großzügig. Die Menschen leben für ihre Träume und sind von ihnen besessen.«
Ja, aber keiner dieser Menschen hatte so hemmungslose, lebhafte Träume wie Megeara. Arik hätte so gern gewusst, wie sie außerhalb des Traumreichs sein mochte. Wie sie als Mensch wäre …
Arik sah zu, wie Wink sich zurückzog und ihn in der Dunkelheit der Traumkammer allein ließ.
Vielleicht war das letztlich auch nur eine Strafe. Arik war als Sohn des Gottes Morpheus ursprünglich einer der Oneroi gewesen. Wie es bei ihnen Sitte war, waren ihm einige Menschen zugeteilt worden, die er überwachen und gegen die Skoti schützen sollte, die die Menschen manchmal
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