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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Brüllen furchtbar dünn und leise.
    Und dann war sie endlich draußen. Sie wusste nicht, wie und warum, doch der Schrei des Blutvaters verebbte, und die Taubheit fiel von ihr ab. Keuchend kämpfte sie sich auf die Knie. Neben ihr brach Sandy zusammen.
    »Feuer«, hauchte sie noch.
    »Nein«, keuchte Lisa.
    »Feuer.« Ganz leise. »Jetzt.«
    »Hilf mir«, verlangte Lisa und zog sich an einer Mauerritze auf die Beine, doch Sandy schwieg.
    Bring es zu Ende, knurrte etwas in Lisa, bring es erst zu Ende!
    Sie packte die nächste brennende Laterne, schmetterte sie durch die offene Tür in den Raum, der der Blutvater war. Dann schleuderte sie eine Fackel hinterher, noch eine und noch eine, und dann die zerbrochene Holzbank. Sie riss Fotos von den Wänden, Papier brannte gut, knüllte sie zusammen, warf sie hinein. Und wieder Laternen und Fackeln, Fetzen ihrer Kleidung, alles, was sie finden konnte.
    Zischend fingen die Wurzeln Feuer, die wurmartigen Dinge auch. Qualm drang heraus.
    Mit letzter Kraft stürmte sie wieder hinein, drei brennende Fackeln in der einen Hand, zusammengeknüllte Fotografien in der anderen. Alles zusammen warf sie direkt auf das durchbohrte Herz. Das herausströmende Blut der Kreatur fing Feuer, als wäre es Öl.
    Plötzlich brach ein riesiger Tentakel durch die Wand, doppelt so dick wie Lisa selbst, und rammte sie zu Boden. Sie rollte sich ab, krabbelte panikerfüllt Richtung Ausgang, hörte, wie das Ding hinter ihr zu Boden klatschte, dumpf und schwer. Und sich nicht mehr rührte.
    Flammen prasselten hinter ihr, eine Hitzewelle fuhr über sie hinweg, und Lisa krabbelte keuchend und hustend in die Halle hinaus.
    Sandy hatte sich auf den Bauch gewälzt, würgte und brüllte vor Schmerz. Lisa packte sie, umklammerte ihren Bauch und drückte zu. Sandy übergab sich, schwarzer, blutender Moder schwappte aus ihr heraus, der dampfend auf die Erde klatschte. Er schien innerlich zu glühen wie Magma. Sie würgte und spuckte anderes hinterher, dann brach sie zusammen.
    »Sandy!«, keuchte Lisa, doch ihre Freundin rührte sich nicht mehr. »Sandy! Nein!«
    Sandy zuckte mit der Hand. Sie lebte!
    »Erschreck’ mich nicht so«, knurrte Lisa und packte sie an den Armen, zog sie quer durch die Halle, fort von dem Raum, aus dem immer mehr schwarzer stinkender Qualm drang. Sie mussten weg, bevor das Feuer herausdrang, bevor sie sich eine Rauchvergiftung holten. Meter um Meter schleppte sie sich und ihre Freundin voran, bis hinüber zur Treppe am Ausgang.
    »Hier krieg ich dich nicht rauf.« Lisa atmete schwer, beugte sich nach vorn, die Hände auf die Knie gestützt. Sie konnte nicht mehr, es ging nicht mehr weiter, nicht, wenn sie Sandy tragen musste. »Ich bin zu schwach.«
    »Danke«, murmelte Sandy.
    »Nix danke! Es ist noch nicht vorbei. Wir müssen weiter«, schimpfte Lisa und zerrte an Sandys Arm. »Sonst bringt uns der Qualm um.«
    Ganz langsam rappelte sich Sandy auf. Sie schwankte, hielt sich am Geländer fest. Lisa stellte sich hinter sie, gab ihr Halt und schob sie halb die Treppe hinauf. Oben taumelten sie Arm in Arm wie zwei Betrunkene weiter, in Schlangenlinien dem Ausgang entgegen. Voller Dreck und Blut und halbnackt, der größte Teil ihrer Kleidung hatte ja das Feuer gefüttert.
    »Geht’s? Brauchst du einen Arzt?«, fragte Lisa.
    Sandy schüttelte den Kopf und lachte. »Ich bin ein Vampir. Wir wollen den guten Arzt mal nicht überfordern.«
    Zwar begriff Lisa nicht, was das bedeutete, aber sie sparte sich eine Bemerkung und sagte nur: »Dann lass uns heimgehen.«
    »Ich lebe!«, schrie Sandy. »Verdammt noch mal, ich bin nicht mit ihm draufgegangen!«
    Tränen lachend und keuchend wankten sie weiter. Der nächste Taxifahrer würde sich freuen, sie zu sehen.

36
    Alex stürmte an dem noch immer schluchzenden Fahrer vorbei, da durchlief ein Zittern die Tunnelwände, den Boden und die Decke. Obwohl alles sonst still blieb, meinte er doch einen Schrei zu vernehmen, fremden Schmerz, der gedämpft in seinem Kopf widerhallte, und doch so laut, dass er ins Straucheln geriet. Er presste sich die Hände auf die Ohren, doch das half nichts, der Schrei war nur in seinem Kopf.
    In allen Köpfen, wie er an den verzerrten Gesichtern von Danielle und dem Fahrer erkannte, als er sich umdrehte.
    Dann schwappte ein panisches Kreischen aus mehreren Kehlen den Tunnel entlang, es kam von der Haltestelle vor ihnen.
    Die Wände strahlten Hitze ab, als hätten sie Fieber.
    »Was ist das?«
    »Das kann nicht sein«,

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