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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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baumeln. Unterwegs hatten sie eine Schachtel Filterzigaretten gezogen, weil es im Automaten keinen Tabak gab. Alex riss von zweien den Filter ab und zündete sie an, reichte eine weiter an Danielle. Es war seltsam, hier mit der Frau zu sitzen, die man begehrte, und auf die zu warten, die man liebte. Noch seltsamer war, dass Danielle das mitmachte, ohne zu fluchen. Wahrscheinlich war es einfach nicht die Nacht für Streit. Der Blutvater war tot.
    Vielleicht wusste sie auch einfach, dass Alex mit ihr nach Hause gehen würde, und allein das zählte. Sie war ein Nephilim, woher sollte Alex wissen, was in ihr vorging?
    Der Mond schien heute weißer zu strahlen als in anderen Nächten; obwohl er nicht einmal halb zu sehen war, wirkte er heller als in den Jahren zuvor.
    Alex und Danielle rauchten schweigend, es gab nichts zu sagen. Sie hatten die Zigaretten noch nicht ausgedrückt, da tauchte unter ihnen ein Taxi auf. Tatsächlich hielt es vor dem Haus mit Lisas Wohnung. Und wirklich stieg Lisa aus, zusammen mit Sandy.
    Sandy!
    Warum war sie nicht tot, gestorben wie die anderen Vampire?
    Alex war kurz davor, hinabzuklettern, da hörte er die beiden schnattern und lachen. Halbnackt, überzogen mit getrocknetem Blut und Erde und aufeinander gestützt taumelten sie zur Tür. Sandy hatte sich verändert, sie wirkte nicht mehr bedrohlich, nicht mehr kalt, sondern wie Alex. Er spürte die tiefe Abscheu nicht mehr.
    Das Taxi fuhr an, die Haustür schwang auf. Lisa verschwand als Erste im Inneren, doch Sandy drehte sich plötzlich noch einmal um.
    Sie hob den Kopf und sah Alex direkt an. Eine lange Sekunde starrte sie ihm in die Augen, dann lächelte sie und nickte. Nichts Feindseliges ging mehr von ihr aus.
    Alex hob den Zeigefinger an seine Lippen und erwiderte das Lächeln.
    »Komm schon«, hörte er Lisa rufen; es klang aufgedreht. Was ihr auch zugestoßen sein mochte, es schien ihr gutzugehen.
    Als die Tür ins Schloss fiel, schnippte Alex die Kippe auf die Straße und erhob sich. Seine halbleere Packung Kaffee ließ er einfach stehen, er brauchte sie nicht mehr. Drüben ging Licht an.
    Alex wandte sich ab und schlenderte langsam über das Dach zurück. Erst jetzt bemerkte er den leichten Wind und fröstelte.
    Danielle schloss zu ihm auf. Sie hatte ihre Kippe noch und bot ihm den letzten Zug an. Er schüttelte den Kopf, und sie warf sie weg.
    »Kopf hoch«, sagte sie. »Irgendwann wird sie vergessen, was du getan hast, und ich werde deiner überdrüssig und verschwinde. Dann kannst du ja erneut dein Glück bei ihr versuchen.«
    »Soll mich das jetzt aufbauen, oder was?«, fragte Alex. »Die charmante Ankündigung, dass du irgendwann verschwindest?«
    »Weiß ich nicht. Einfach die Wahrheit.« Danielle schlug ihm mit der flachen Hand auf den Hintern. »Aber jetzt lass uns erst mal feiern, dass der verfluchte Blutvater tot ist.«
    Und sie gingen Arm in Arm weiter über die Dächer Berlins. Direkt vor ihnen musste irgendwann die Sonne aufgehen.

Epilog
    Rot und gelb gefärbte Blätter hingen an den wankenden Bäumen vor den Fenstern der S-Bahn. Alex konnte nachts inzwischen ebenso gut sehen wie am Tag, und die Oktoberkälte machte ihm nichts aus. Obwohl er zitterte, fror er nicht, die dünne Jacke trug er nur, um nicht aufzufallen, der Kapuzensweater wärmte ihn ausreichend. Auch den Durst nach Blut hatte er im Griff, doch er sehnte sich nach Danielle, nach dem Sex mit ihr, sein Körper verlangte nach ihren Lippen, nach ihrem Geruch. Er zitterte, weil er ihre Berührungen vermisste.
    Seit sie ihn Anfang September endgültig verlassen hatte, streifte er jede Nacht ruhelos durch die Stadt. Er schleppte Mädchen mit rosa Lippen und golden glitzernden Ohrringen ab und ließ sie am nächsten Morgen fallen wie ein Nephilim. Spätestens am Abend war das Zittern wieder da. Lisa anzurufen, hatte er nicht gewagt, nie war er über die ersten drei Ziffern ihrer Nummer hinausgekommen.
    Und jetzt stieg sie in der Hermannstraße zu. Die roten, vom Wind zerzausten Haare fielen ihr offen auf den breiten Kragen des kurzen schwarzen Mantels. Ihr dickes Halstuch leuchtete grün und blau, die Farben verliefen ineinander wie Kleckse, die Stiefel waren weiß. Sie atmete heftig, als wäre sie zur Bahn gerannt, die dunkelroten Lippen umspielte ein Lächeln.
    Alex spürte sein Herz schlagen, er krümmte sich vor Aufregung.
    An der Hand hielt Lisa einen dunkelhaarigen Mann mit weichem, rundem Gesicht, den sie hinter sich herzog. Sie bugsierte ihn auf

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