Geboren in der Hölle
Sie kam näher und umfaßte seinen nackten Körper mit beiden Armen. Dabei ließ sie die Hände wandern und schaute zu, wie Bill zuerst die Augen schloß und anschließend den Fön zur Seite legte.
»Jetzt ist es richtig okay«, flüsterte er, drehte sich um und küßte Sheila auf den Mund.
»Wie ruhig wird der Abend werden?« fragte sie wenig später.
»Sehr ruhig und locker. Aber die Nacht könnte von einem Sturm durchdrungen werden.«
»Den du entfachen wirst?«
»Das will ich hoffen.«
Sie küßte ihn noch einmal und sagte: »Ich liebe Stürme. Sie können gar nicht oft genug über mich hinwegbrausen.«
»Auch sie müssen sich mal sammeln.«
»Ich weiß und…«
Beide hörten Johnnys Stimme, die nach ihnen rief.
»Ach, der Herr Sohn ist da.«
»Enttäuscht, Bill?«
»Nein.«
Sheila lachte nur. Sie stupste den Zeigefinger gegen Bills Nase und zog sich aus dem Bad zurück.
Bill ging ins Schlafzimmer, zog sich an, strich noch einmal durch seine Haare und traf Sheila im Gang zwischen Küche und Wohnzimmer.
»Ich habe einen Bärenhunger. Was gibt es denn?«
»Johnny hat sich Pizza gewünscht. Es wird allerdings noch etwas dauern. Er will auch noch duschen.«
»Wann ist es soweit?«
»Sagen wir in zwanzig Minuten.«
»All right, dann gehe ich noch kurz in mein Zimmer.« Bill blieb trotzdem stehen. »Mal eine Frage? Du hast die Pizza doch selbst hergestellt – oder?«
»Klar.«
»Das ist gut. Manchmal schmecken die Dinger nämlich nicht anders als die Schachteln, in denen sie stecken.«
»Laß das aber keine Pizzabäcker hören, Bill.«
»Nein, das sage ich auch nur dir.« Er zwinkerte ihr zu und ging in das Zimmer. Das Licht der Sonne flutete hinein und machte es sehr hell.
Bill zog das Rollo etwas nach unten, weil er Schatten haben wollte, aber er setzte sich nicht an den Schreibtisch, sondern auf einen Stuhl, der in direkter Blickrichtung zur Glotze stand. Die Fernbedienung hielt er in der Hand. Es war Zeit genug, um die Nachrichten zu sehen und zu hören.
Die Welt war wie immer sehr schlecht. Auch Europa hatte es seit einigen Wochen erwischt. Auf dem Balkan tobte der Krieg, und erst jetzt deuteten sich die ersten Verhandlungen an, was Bill, wie auch alle normalen Menschen, begrüßte.
Er schaute weiter. Auch die anderen Nachrichten interessierten ihn, und er blickte nur kurz auf, als Johnny die Tür öffnete und sich in das Zimmer hineinschob.
»Hi, Pa.«
»Johnny. Wie war’s?«
»Nicht schlecht.«
»Wieso?«
»Der Trainer meint, daß wir allmählich besser würden. Bald wären wir eine richtige Mannschaft.«
»Dann drücke ich euch die Daumen. Wann beginnt das Schulturnier?«
»Ende des Monats. Am letzten Wochenende.«
»Ich bin dabei.«
»Das erwarte ich auch.«
Johnny war nicht an der Tür stehengeblieben. Er lehnte an der Wand und schaute ebenfalls auf die Glotze. Es wurden jetzt die lokalen Nachrichten gebracht. Das übliche. Es ging um Verkehrsunfälle, auch um kleinere Verbrechen, um Beschwerden von Bürgern und um Typen, die an diesem Tag etwas Besonderes getan hatten.
Zum Schluß schreckte die beiden Conollys die Stimme des Sprechers noch einmal auf. Der Mann bat die Bevölkerung um Mithilfe bei der Identifizierung einer toten jungen Frau, die am Ufer eines Themsearms gefunden worden war.
Eine Sekunde später war das Bild zu sehen.
Es zeigte das retuschierte Gesicht einer Toten und wirklich noch sehr jungen Frau, ungefähr in Johnnys Alter.
Bills Gesicht verlor den lockeren Ausdruck. Er spürte die Wut auf den unbekannten Täter in sich hochsteigen, und das gesamte Zimmer kam ihm plötzlich kalt vor.
Dann hörte er einen erstickt klingenden Laut, als stünde jemand kurz davor, sich zu übergeben.
Bill schaute seinen Sohn an.
Johnny lehnte noch immer an der Wand. Er war sehr blaß geworden und zitterte. Einen Arm hatte er erhoben. Der rechte Zeigefinger wies auf den Bildschirm und zitterte.
»He, was ist denn?«
»Pa – die… die Tote kenne ich.«
»Was?«
»Ja, sie geht in die Parallelklasse. O Scheiße, das ist…« Er zog die Nase hoch.
»Bist du sicher, Johnny?«
»Das bin ich. Sie heißt Sandy Shayne, und ich bin zweimal mit ihr weg gewesen. Jetzt ist sie tot.« Johnny konnte es nicht fassen. Er ließ sich in einem Sessel nieder, und Bill sah, wie ihm die Tränen kamen. Der Tod der Mitschülerin hatte ihn tief erschüttert.
Der Reporter stellte den Apparat aus. Dann ging er zu seinem Sohn und strich mit der Hand über seinen Kopf hinweg. »Es tut mir
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