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Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Titel: Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ariane Grundies
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in die Badeanstalt, der Jugendliche spaziert hier Händchen haltend mit der ersten Liebe, der Erwachsene besucht im angrenzenden Krankenhaus seine Angehörigen, der alte Mensch sitzt auf der Bank und starrt voller Rührung auf die Schönheit seiner Stadt. Als Jungpionier führte mich ab und an ein Schulausflug zur Sundpromenade, denn dort steht das Denkmal des Freiheitskämpfers Ernst »Teddy« Thälmann. Blumen wurden feierlich niedergelegt. Heute sitzt man gerne neben Thälmann auf der neuen Dachterrasse des Ventspils (Sundpromenade 1a). Dort, wo früher in einem grauen Etwas Jugendweihen veranstaltet wurden, kann man nun die Stralsunder auf ihrer Promenade beim Flanieren beobachten. Fisch soll im Ventspils gut sein. In jedem Fall gut ist er im ältesten Restaurant Stralsunds Zur Kogge (Fisch überall gut).
    Das Meeresmuseum : Im Juli 2008 eröffnete Frau Dr. Merkel den größten Museumsneubau Deutschlands – das 60 Millionen Euro schwere Ozeaneum. Früher war es schon eindrucksvoll, was hinter den von platt gedrückten Kindernasen ganz fettigen Aquarienwänden hin und her schwamm, aber heute hat man im Neubau am Hafen noch weitaus mehr zu bestaunen, zum Beispiel das Schwarmfischbecken, in denen die Kinder und ihre Eltern sehen können, wie lebendige Rollmöpse aussehen. Die Umsetzung der architektonischen Idee des Baus (von Wasser umspülte Steine) findet nicht bei jedem Stralsunder Gefallen. Einige mochten ihren Hafen mit den Speichern so, wie er war (Zitat: »Ohne Klorollen dazwischen«),lieber, aber man sieht ein, dass man Frau Merkel heutzutage was bieten muss, damit sie mal wieder vorbeikommt.
    Die Rügenbrücke : Früher nichts weiter als eine Notwendigkeit, heute der ganze dreispurige Stolz des Stralsunder Bürgers. Wirft man einen Blick in Internetforen, haben dort, wo bei anderen Internetbenutzern ein Foto oder eine Comicfigur wie Homer Simpson in ihrem Profil auftaucht, viele Stralsunder und Rüganer ein Abbild ihres neuen Jahrhundertbauwerks. Wie das neue Näschen einer Hollywoodschauspielerin gibt die blaue Schönheit der Stadt ein neues Gesicht, ein schöneres, eleganteres, moderneres Gesicht. Früher stand man mitunter sehr lang im Stau vor der alten Klappbrücke, heute fährt man die Neue hoch und runter und lässt seine Assoziationen schweifen. Als ich mit einem Freund im Dunkeln Richtung Stralsund fuhr, sagte er oben auf der Brücke: Mensch, das ist ja hier, wie nach San Francisco reinfahren. Ja , sagte ich, ich wusste gar nicht, dass Stralsund so viele Lichter hat.
    Angela Merkel : Früher, damals noch, war sie eine von uns. Ihre Karriere nahm in den Straßen meiner Stadt ihren Anfang. So wie die Kelly Family stand sie hier auf dem Kopfsteinpflaster und war eine zum Anfassen. Heute ist sie umringt von muskulösen Männern, wichtigen Männern, von vielen Männern. Sie gibt uns Stralsundern noch immer das Gefühl, ein besonderes Auge auf uns zu haben, aber an ihrem Nebentisch sitzen und vorzutäuschen sie nicht zu kennen, um sie en passant nach der Uhrzeit zu fragen, kann man heute leider kaum noch.
    Straßenverlauf : Meine Orientierung war nicht die beste, aber inzwischen ist sie ziemlich zuverlässig. Ich habe in den letzten Jahren die Chance bekommen zu trainieren. Mir macht heute keiner mehr was vor. Mein Vertrauen in meine Leistung geht so weit, dass ich sogar widerspreche, wenn einer sagt, wir müssten jetzt da links lang, und ich aber weiß, nein, wir müssen definitiv nach rechts. Grund für mein heutiges beinahe weltmeisterliches Orientierungsniveau ist der neue Straßenverlauf meiner Heimatstadt beziehungsweise um sie herum. Früher war das alles nicht sonderlich aufwendig mit den Straßen. Die Autos fuhren einfach alle, bis nichts mehr ging, die Greifswalder Chaussee entlang und stellten sich brav ans Stauende nach Rügen. Heute versucht man als Autofahrer der Logik der Ortsumgehung zu folgen. Man ahnt, dass man mindestens fünf Schleifen zu viel gefahren ist, und bekommt hin und wieder eine kleine Panikattacke, weil man plötzlich aus der Lethargie hochschreckt und sich fragt, ob man inzwischen zum Geisterfahrer geworden ist oder ob das so sein muss, dass hier kaum einer ist. Anfänglich wurde zudem eine adäquate Ausschilderung verpasst, sodass ich oft genug da gelandet bin, wo ich niemals landen wollte. Und weil ich irgendwann so die Nase voll davon hatte, habe ich angefangen, einfach den richtigen Weg zu finden. ( Der Küstenmensch ist näher am Unbewussten. Zitat aus der

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