Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder
lange nicht mehr amüsiert). Loriots Vorfahren stammen übrigens aus Mecklenburg-Vorpommern. Und immerhin leben nicht wenige Meck-Pommer in Städten die auf -witz enden.
Pragmatisch sind sie, die Meck-Pommer. Sie neigen nicht zum Problematisieren. Das kann man wirklich nicht sagen. Für jedes, aber auch jedes Problem gibt es eine zweckmäßige Lösung: De nich old warn will, mütt sik jung uphängen (Wer nicht alt werden will, muss sich jung aufhängen). Aus Abschieden scheint der Meck-Pommer generell keine allzu große Sache machen zu wollen. Wessen Familienmitglieder tagelang zur See gefahren sind, weiß mit einem Ahoi umzugehen.
Der Nachwendefilm Go Trabi Go hatte ein ganz patentes Castingteam. Der Film um das
DDR
-Kultauto wäre nämlich grandios gefloppt, hätte man anstelle des fröhlich-sächsischen Pärchens eine Meck-Pommer-Familie nach Rom geschickt. Mit ihrem schwerfälligen melancholischen Temperament hätten sie sich durch die engen Gassen gequält, über die Anstiege, die Berge, geschimpft und sich für ganz besonders swienplietsch (pfiffig) gehalten, weil sie durchschaut hätten, dass man sie in diesem Land mit einem viel zu dünnen Pizzateig übers Ohr zu hauen versucht. Mit einer großen Portion Trotz hätten sie ihre sechs Zentimeter dicken Käsebrote und Wurststullen herausgeholt und ihr zu Hause schmerzlich vermisst. So bittet auch schon der Name eines bekannten Gasthauses in Bad Stuer am Plauer See stellvertretend für alle Einwohner des Landes: Schweig mir von Rom.
Und doch haben die Meck-Pommer mit den Italienern etwas gemeinsam: die Gastfreundlichkeit. Auch wenn den ein oder anderen Touristen in Mecklenburg-Vorpommern bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienste das Gefühl beschleicht, er solle sich jetzt lieber schleunigst vom Acker machen, so seien Sie doch gewiss, dass der Meck-Pommer im Herzen, ganz wie seine slawischen Vorfahren, ein gastfreundlicher Menschenschlag ist. Seine flache Landschaft hilft ihm dabei, sich dieses Gut zu bewahren, denn so sieht der Meck-Pommer schon Donnerstag, wer Samstag zu Besuch kommt . Mit Überraschungen und Spontaneitäten kommt der Meck-Pommer schlecht zurecht. Niemand will stören, und niemand wird gern gestört. Ein klassischer Fall von falscher Rücksichtnahme, ein Missverständnis meines Erachtens. Denn ich bleibe bei meiner Behauptung, der Meck-Pommer ist gastfreundlich. Gastfreundlich und hilfsbereit, auch wenn Sie kaum wagen, das mürrische Gesicht auf den Straßen Mecklenburg-Vorpommerns nach der Zeit zu fragen. Und auch wenn Thomas Kantzow in seiner Pomerania die Behauptung aufstellt: Es sind die Einwohner des Landes sehr ein zänkisch und mordtisch Volk
…, Sie müssen wissen, Meck-Pommer ab sechsundzwanzig sind vom Timurtrupp geprägt. In Anlehnung an das russische Buch Timur und sein Trupp taten sich in der
DDR
Jungpioniere zusammen und boten alten und kranken Menschen ihre Hilfe an. Und Gewohnheiten kann man ja nicht einfach aus dem Fenster werfen.
In dem ganzen Verhalten des Meck-Pommers liegt nur manchmal etwas schwer Durchschaubares. 14 Euro für einen Glühwein in Heiligendamm (so war’s gewesen!)? Ein Haus, das kopfsteht (auf Usedom zu finden!)? Für eine noch größere Irritation sorgte zum Beispiel der langjährige Ministerpräsident Harald Ringstorff, als er bei der Landtagswahl 2006 mit dem Slogan Den Erfolg fortsetzen warb. Welchen Erfolg fragte man sich. Ein böser Freund nannte das meck-pommersche Verhalten leicht schizophren , ein anderer nennt es doppelmoralisch . Ich nenne das gar nicht, aber ich mache Beobachtungen. In einem Restaurant war meiner Oma sehr unangenehm, dass ich eigens die Kerze anzündete ( Das darf man doch nicht. Das muss die Bedienung machen ! ), aber bei einem Krankenbesuch öffnete sie wie selbstverständlich das Sicherheitsfenster in der Notaufnahme (Ich: Oma, das geht doch nicht. Das muss die Schwester machen ! Oma : Geht alles ).
Der Meck-Pommer schwört in allen Bereichen seines Lebens auf Altbewährtes. Er verabscheut Veränderungen, die allzu plötzlich über ihn hereinbrechen. Er weiß gern, wie der Hase läuft, und so wird er in der Großstadt den Bus als öffentliches Transportmittel für eine Strecke wählen, die mit der
U
-Bahn in der Hälfte der Zeit zu schaffen wäre. Diskussionen über Entscheidungen wie diese sind mit dem Meck-Pommer anschließend nicht zu führen, denn er wird auf die Frage nach seinen Gründen wie immer antworten: Das ist nun mal so. Weil ich das immer so
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