Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder
mache. Weil das schon immer so war und auch immer so bleiben wird. So entstehen zuweilen absurd wirkende Aussagen wie diese (gehört, als im April 2006 noch mal Schnee fiel): Ich schipp, wenn sich das gehört, und nicht wenn Schnee fällt. Die starrköpfigen Vorpommern und schweigsamen Mecklenburger selbst würden derlei Thesen über sich wahrscheinlich wie folgt von sich weisen: Es gibt immer solche und solche !
Aus diesem Es-gibt-immer-solche-und-solche-Leitspruch lässt sich eine weitere Tugend ableiten, deren Qualität und Vorzug dem Meck-Pommer womöglich gar nicht recht bewusst ist: Toleranz. Auch wenn man die Leute da oben in Nordost mit ostdeutscher Fremdenfeindlichkeit verbindet, so muss ich sagen, dass die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern ganz ausgesprochen tolerant sind. Hier atmet die Attitüde: Soll’n Se doch maken, wat se will’n . Das ist zwar einerseits sehr löblich und kam mir damals sehr entgegen, andererseits zeugt das auch von einem gewissen Desinteresse allem gegenüber, was ihnen fremd ist. Und weil sie vor Fremdem, Anderem, Neuem oft eine wirklich panische Angst zu verspüren scheinen, versuchen sie es nicht selten mit einem etwas abschätzigen, man möchte fast sagen, arroganten Gesichtsausdruck. Von dem sollten Sie sich jedoch nicht, wie Theodor Fontane, ins Boxhorn jagen lassen. Fontane fiel darauf herein und verfasste offensichtlich leicht beleidigt folgende Zeilen:
Ich kann den Dünkel, daran sie kranken, nicht ganz unberechtigt finden. Sie haben unbestreitbar eine wundervolle Durchschnittsbegabung, werden aber ungenießbar dadurch, dass sie einem dies Durchschnittsmäßige, dies schließlich doch immer furchtbar Enge und Kleinstädtische, als etwas Höheres, als das eigentlich Wahre aufdrängen möchten. Das nennen sie dann Humor, wenn sie plötzlich mit einem ziemlich unverschämten Gesicht, aus ihrem Mustopf heraufgucken.
Also, warum nennt nun der Meck-Pommer seine Liebsten Schieter ? Die Faustformel lautet: Je gröber die Ausdrucksweise, desto liebevoller gemeint ist das Gesagte, meistens. Dabei gibt es zweifellos einen Hang zur Fäkalsprache und zu spröden Liebesschwüren. Meck-pommersche Liebesdialoge klingen dementsprechend in etwa so:
Nu kam her man !
Wat willste schon wedder von mie ?
Na wat soll ick denn schon will’n, he ? Dat will ick. Nu hev die nich so. Kam her Minsch !
Berliner Schnodderigkeit?! Pff, schon mal was von meck-pommerscher Gnatzköpfigkeit gehört?
Und auch wenn die Worte in Mecklenburg-Vorpommern knapp bemessen sind, so zählt jedes einzelne umso mehr. Davon schwärmt ein schwäbischer Gutshausbesitzer in einem Rotary-Magazin: Ich habe hier (in Mecklenburg) im Laufe der Jahre über 2000 Notarverträge geschlossen, und nicht ein einziges Mal hat jemand nach erfolgtem Handschlag noch irgendetwas ändern wollen, wenn es zur Beurkundung ging.
Merke ! Der echte Mecklenburger ist entweder schon als Kind zu ernstem Denken geneigt und macht einen älteren Eindruck, oder er bleibt ewig ein Kind. (Marx Möller, Schriftsteller)
Wie Sie einen waschechten Meck-Pommer enttarnen :
Sie befinden sich in einem Ort, der auf -witz, -ow oder -in endet. Dort betätigen sie einen Klingelknopf über dem Namensschild Freetwurst oder Hafenmeister. Jemand öffnet mit leicht verstörtem Blick, gibt Ihnen zur Begrüßung die Hand. Er bittet sie rein. Auf seiner Fensterbank liegen Hühnergott und Donnerkeil. Herr Hafenmeister oder Frau Freetwurst serviert ihnen Kümmel, fängt einen Small Talk an, in dem er/sie Ihnen den Unterschied zwischen Kranich und Kormoran oder Scholle und Flunder erklärt. Auf Fragen antwortet er/sie kurz und knapp mit Ja oder Nein. Nach dem sechsten Kümmel will dieser sture Mensch Ihnen weismachen, dass es nicht lohnt, nach Kanada oder Finnland zu reisen, solang man noch nicht an der Müritz war. Aus Kümmel wird Sanddornlikör, der in den Bergen Hiddensees selbst gepflückt wurde, aus Ja und Nein wird Schweigen. Die Verabschiedung begleitet ein fester Händedruck. Man sagt Tschüss.
Klischees und andere Wahrheiten
Der stumme Fisch
Söte, Thünkram, Lütter, poofen, Deern, plietsch, kieken, Büx, vertellen, antrekken, Knuust, Schnute und dun sind Worte, die zu meinem aktiven Wortschatz gehören. Vorausgesetzt sie sagen überhaupt etwas, peppen 97 Prozent der Meck-Pommer ihre Wortwahl mit Worten der plattdeutschen Sprache auf, der Sprache, in der Luther die Bibel übersetzte, der Sprache, in der Handy Ackerschnacker heißt. Der
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