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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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Macaire«, wofür die Kartoffel in der Schale gekocht und anschließend das Innere, mit Butter und Gewürzen vermengt, gebraten wurde. Ob er festkochende oder mehlige Kartoffeln bevorzugte, ist leider nicht bekannt.
    Eine Alternative zum Quark sind Hering in Sahne- oder (die gesundheitsbewusstere Variante) Joghurtsoße. Auch Leinöl wird gern an Heringe mit Pellkartoffeln gegeben. Der Hering, ein allgemein unterschätzter Fisch, lief hier nie Gefahr, als Arme-Leute-Essen verschrien zu werden. Die Leute waren alle arm, und so blieb auch die Fischwelt von so unschönen sozialen Zuschreibungen verschont. Man kann den Hering als Salat oder Brathering essen oder als Häckerle. Die Heringsstückchen, die mit Äpfel, Gurken, Eiern, Kapern und Zwiebeln vermischt werden, sind so beliebt, dass sie ein fester Bestandteil der Buffets runder Geburtstagsfeiern sind (oder spätestens zum Katerfrühstück danach serviert werden). Wer den Hering vor dem Schlafengehen isst und sich danach Getreide unters Kopfkissen legt, wird im Traum die Zukunft erfahren. Das glaubten jedenfalls die Sorben. Es gibt noch andere, weniger schicksalsmächtige heimische Fische wie Zander, Hecht, Aal und Karpfen, und in einigen Lokalitäten trauen sich die Köche sogar, den Fischgeschmack nicht mit einer Mehlpanade zu verschleiern.
    Kasslerrippchen, Bockwurstsalat, Graupensuppe, Fleckensuppe (Magen, Niere, Leber, Herz), Kohlrabi, Sellerie und Rüben möchte ich der Vollständigkeit halber noch als regionale Grundnahrungsmittel erwähnen, und es mag auch in den Tiefen dieses Landes schon ein Mensch geboren sein, der daraus etwas Anspruchsvolles macht. Da ich ihn als gebürtige Brandenburgerin bisher nicht gefunden habe, stehen Ihre Chancen, ihn in der kurzen Zeit Ihres Urlaubs kennenzulernen, allerdings denkbar schlecht.
    Selbst an Feiertagen bleiben wir unserem einfachen Geschmacksempfinden treu. Zu Heiligabend gibt es Bockwurst und Kartoffelsalat. (Dass ich als Kind in den Genuss eines Menüs aus Fleischbrühe mit Ei, gefolgt von Ragout fin und Obstsalat kam, ist meiner sächsischen Mutter zu verdanken und wurde von mir streng geheim gehalten, um von meinen Klassenkameraden nicht gnadenlos verachtet zu werden). In der Lausitz aß man zu Heiligabend Fisch mit Rogen. Je mehr Rogen im Fisch, umso reicher würde man werden, so die Hoffnung. Bis zur Hochzeit war jedenfalls so viel Geld zusammengekommen, dass die ganze Dorfgemeinschaft mit Rindfleisch und Meerrettichsoße gefüttert werden konnte.
    Warum sich der Kartoffelpuffer nicht als Dessert durchgesetzt hat, kommt mir bei all der Begeisterung für die Kartoffel irgendwie unlogisch vor. Dafür gibt es die Plinse. Bei dieser Mehl-Eier-Speise, die manchmal auch mit Buttermilch zubereitet und mit Apfelmus, Marmelade oder Leinöl verziert wird, kommt eine schwache Ahnung jener sagenhaft guten sächsischen Backkunst auf, die in den südlicheren Gefilden dieses Landes einmal beherrscht wurde. Im Spreewald macht man gelegentlich auch Hollundersuppe, eine Art Kaltschale aus Nelken, Zucker, Zimt, Milch, Mehl und Hollundersaft. Den Kaffee zum Dessert gibt’s ausschließlich als »Tasse oder Kännchen«. Und er wird nicht mit diesen geschäumten neumodischen Milchvarianten, sondern mit der guten dicken Kondensmilch getrunken.
    Am liebsten aber trinkt man Bier. Ob »Rex Pils« oder »Potsdamer Stange«, ein Bio-Bier, das aus einer Brauerei am Templiner See stammt und in der Gegend um Potsdam verkauft wird; im Biergenuss liegen wir Brandenburger mit den übrigen Deutschen gleich auf. Es gibt unzählige kleine Brauereien, die ihre eigenen Spezialitäten brauen. Maibock und Weihnachtsbier haben sie alle. Um den »Schwarzen Abt« aus der Klosterbrauerei Neuzelle tobte sogar der sogenannte Bierkrieg. Es ging darum, ob der beigemischte Zucker, der dem dunklen Abt seine typische Süße verleiht, das Getränk nicht verunreinige, weswegen ihm die Bezeichnung Bier abgesprochen werden sollte. Aber der zuständige Richter war ein Schwarzbiertrinker. Er gab der Klage nicht statt.
    Es gibt Menschen, die das Biertrinken gern mit dem Obstessen verbinden. Für sie werden Kirsch-, Apfel- und Johannisbeerbiere oder Bierbowle hergestellt, die den Anschein gesunder Ernährung erwecken.
    Beim Wein fällt einem in Brandenburg ebenfalls zunächst der Obstwein ein. Allerdings ist auch der Genuss von alkoholhaltigem Rebensaft nichts Unbekanntes. Das liegt nicht ausschließlich an den Italien- und Frankreichausflügen der Brandenburger in der

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