Gedankenmörder (German Edition)
Konzept gebracht.
Umständlich quälte sich Petersen mit ihrem Gipsarm aus ihrer Jacke und stand jetzt nur noch in Jeans und Bluse vor dem Mann. Sie hatte das unangenehme Gefühl, der Geiselnehmer würde sie mit den Augen rastern.
«Bitte, tun Sie meiner Tochter nichts», hörte Steenhoff Petersen plötzlich sagen.
«Sie wollte doch nur die Tiere beschützen. Sie kann es nicht ertragen, wenn ihren Schützlingen etwas zustößt. Bitte lassen Sie sie los. Mein Mann und ich werden Sie auch nicht verfolgen. Das versprechen wir Ihnen. Wir wollen nur unsere Tochter zurück.»
Ihre Stimme klang angstvoll und sehr naiv. Verstohlen sah Steenhoff seine Kollegin an. Was hatte sie vor?
Der Mann schien tatsächlich kurz zu überlegen. Doch seine Antwort ließ Steenhoff das Blut gefrieren.
«Die Mutter ist ja fast noch schöner als die Tochter. Da fällt die Wahl schwer, wer von euch beiden zuerst drankommt.» Er wandte sich an Steenhoff.
«Vielleicht sollte ich Sie zugucken lassen? Würde Ihnen das gefallen? Es wird allerdings eine Weile dauern, bis ich mit Ihren beiden Frauen fertig bin. Ich habe schon ein gemütliches kleines Plätzchen im Büro vorbereitet.»
«Dafür gehen Sie lebenslang in den Knast. Überlegen Sie sich genau, was Sie tun», erwiderte Steenhoff scharf.
«Meine Frau hat recht, jetzt haben Sie noch die Chance zu entkommen. Hauen Sie ab, bevor es zu spät ist.»
Steenhoff begann, wie ein Wasserfall auf den Mann einzureden. Dabei versuchte er die Distanz abzuschätzen, die ihn von seiner abgelegten Dienstpistole trennte. ‹Zwei Meter›, dachte Steenhoff, zwei läppische Meter lag seine Dienstpistole von ihm entfernt auf dem Boden. Ihre einzige Chance.
Zugleich wusste er, dass der Mann nicht zögern würde, ihn bei der kleinsten Bewegung zu erschießen. Vermutlich würde die Nachbarschaft von dem Drama auf der Farm gar nichts mitbekommen, denn der Mann hatte einen Schalldämpfer auf den Lauf seiner Waffe geschraubt.
«Sie werden keine ruhige Minute mehr haben, wenn Sie uns umbringen», fuhr Steenhoff fort. Er sah, wie Marie unter seinen Worten zusammenzuckte und ihr unentwegt die Tränen die Wangen hinunterliefen.
«Das wäre Ihr Ende. Die Kollegen werden so lange nicht ruhen, bis Sie gefasst sind.»
Der Unbekannte lachte dreckig.
«Haben Sie das nicht auch die vergangenen Wochen und Monate versucht? Und? Was ist dabei herausgekommen? Nicht ich sitze in der Falle, sondern Sie. Und mit Ihnen Ihre ganze Familie.»
Er nahm Marie noch enger in den Schwitzkasten und richtete die Pistole auf Steenhoff und Petersen.
«Los, ins Büro. Es ist schon alles vorbereitet. Und bei einer falschen Bewegung werde ich erst Ihre Tochter und dann Ihre Frau erschießen.»
Auf einmal wusste Steenhoff, wo er den Mann schon einmal gesehen hatte. ‹Der aufdringliche Spaziergänger aus dem Bürgerpark›, schoss es ihm durch den Kopf. Er hatte die Szene noch genau vor Augen, wie Wessel auf seinen Befehl auf den Unbekannten zuging und dieser sich mit einer entschuldigenden Geste aus dem Staub machte. Danach hatten sie nicht nur die Wege, sondern auch den Wald um den Tatort besser abgesperrt. ‹Wir waren ihm so nahe und haben es nicht bemerkt›, dachte er voller Bitterkeit.
Während Steenhoff ins Büro vorging, zermarterte er sich das Gehirn, wie er den Mann ausschalten könnte. Auf dem zerkratzten Holztisch im Büro lagen mehrere Aktenordner. Daneben entdeckte Steenhoff eine Rolle Paketband, ein paar Handschellen, eine Packung Rasierklingen, Nadeln und eine Videokamera samt Stativ. Der Anblick eines kleinen aufgeklappten Koffers auf dem Boden ließ ihn einen Augenblick taumeln. Der Schminkkoffer war voll mit Tuben, Lippenstiften und Make-up. Schlagartig wurde Steenhoff klar, dass der Mann in dieser Nacht keine Tiere quälen wollte. Er hatte es gezielt auf die Jugendlichen abgesehen, die sich abwechselnd nachts auf die Lauer legten.
«Nachdem ich mir die Ziege geholt hatte, war an den Wochenenden fast immer jemand auf der Farm», meldete sich der Mann prompt zu Wort.
«Doch meist hampelten die hier mit drei, vier Jugendlichen herum. Seit Beginn der Ferien waren sie ständig hier. An der Infotafel am Stall hing ihr sogenannter Wachplan.» Er lachte wieder höhnisch auf.
«Ich brauchte nur draufzuschauen, um zu wissen, in welcher Nacht sie nur zu zweit auf der Farm sein würden. Da konnte ich mich bestens auf meine kleinen Spiele vorbereiten», der Mann deutete mit der Pistole auf die Handschellen und den
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