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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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seiner Schmerzen zu befreien. Aber während er so alle Aufmerksamkeit auf sich zog, gelang es mir, um die Hinterseite des Bulldozers zu schlüpfen und auf die breite Raupenkette zu steigen. Das stählerne Schneideblatt war hochgestellt, und ich benützte es als Deckung, während ich so hoch kletterte, wie ich konnte. Ein Rundblick über das ganze Gelände belohnte meine Mühe. Der auf einer Spur langsam vorbeikriechende Verkehr beleuchtete den breiten ausgeschachteten Graben, die Reihe der Baumaschinen und den Wartburg an deren Ende. In der Mitte des Schauplatzes stand der schief abgestellte Ford Transit, und links davon lag Teacher. Zwei Männer kamen aus der Richtung der Schüsse und blieben bei Teacher stehen. Einer von ihnen stieß den Körper mit der Schuhspitze an. Kein Lebenszeichen. »Jetzt ist alles sicher«, sagte er. Ich erkannte die Stimme von Erich Stinnes.
    Die Frau trat hinter dem Wartburg hervor. Sie ging vorsichtig, um den schlimmsten Schlammpfützen

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    auszuweichen. Es war Fiona, meine Frau.
    »Wie viele haben sie geschickt?« sagte einer der Männer.
    »Einen Mann und eine Frau«, sagte Stinnes. »Beide sind tot.«
    Fiona ging an Tessas Leiche vorbei und sah auf Teacher hinab, ohne ein Zeichen des Erkennens zu geben. Da wurde mir klar, daß sie auch ihre Schwester nicht erkannt hatte. Stinnes blickte sich nach dem Ford um. Er dachte vermutlich an die zertrümmerte Windschutzscheibe des Wartburgs und fragte sich, wie er bei dem noch immer fallenden Regen den Wagen fahren sollte. In diesem Augenblick hatte ich eine Menge Alternativen. Vermutlich hätte mir das Lehrbuch empfohlen, mit ihnen zu verhandeln, aber ich war kein hingebungsvoller Leser von Lehrbüchern und Ausbildungsleitfäden, was der Hauptgrund dafür ist, daß ich noch am Leben war. So hob ich meinen großen Revolver, legte den Lauf auf die schwere, stählerne Schar des Räumpflugs – was die Instruktoren auf dem Übungsschießstand des Departments zweifellos als schlechte Haltung gerügt hätten – und feuerte auf den am weitesten entfernt Stehenden, wobei ich auf die Körpermitte zielte. Die schwere Webleykugel traf ihn wie ein Vorschlaghammer und schlug ihn hin in die Dunkelheit, wo er sich nicht mehr rührte und keinen Laut mehr von sich gab.
    Der zweite Mann, Stinnes, trat erschrocken zurück, aber seine Ausbildung setzte sich gegen seinen Schrecken durch und, ohne mich zu sehen, hob er seine Waffe und feuerte dreimal in die Richtung, wo ich zu vermuten war. Die Kugeln summten an meinem Kopf vorbei, und eine zupfte mich am Rock. Er tat das Richtige: Nach der herrschenden Lehre nötigte er damit seinen Gegner, in Deckung zu gehen, und hielt ihn so davon ab, weiter zu schießen. Aber meine Reaktionen waren viel zu langsam, die herrschende Lehre zu bestätigen, und inzwischen hatte ich ihn mit meiner zweiten Kugel schon getroffen. In den Hals. Es war ein Anblick, der mich dann oft aus dem Schlaf reißen, ein Schlußbild von Alpträumen, aus

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    denen ich inmitten vieler Nächte erwachen sollte. Denn Erich Stinnes verspritzte Blut wie ein Springbrunnen, hoch in die Luft. Und Blut verspritzend, die Hände an der Kehle, stolperte er rückwärts mit einem keuchenden Geräusch und rutschte und glitschte durch den Schlamm, bis er an die Absperrung stieß, die vor dem ausgeschachteten Graben stand. Die stützte ihn für einen Augenblick, dann kippte er rückwärts um und stürzte kopfüber mit einem lauten Aufklatschen in die schlammigen Pfützen in der Sohle der Ausschachtung.
    Fiona, starr vor Furcht und mit frischem Blut bespritzt, blieb, wo sie war. Ich wartete. Kein Geräusch von nirgendwoher. Der Verkehr auf der Autobahn ruhte für den Augenblick, und der Wald verschluckte die Laute von Wind und Regen. Dann rannte Fiona zu dem Wartburg zurück. Dabei brach einer ihrer Absätze ab, und stolpernd verstauchte sie sich den Knöchel, so daß sie, beim Wagen angelangt, auf ein Knie sank und vor Schmerzen schluchzte. Aus der mutmaßlichen Sicherheit, die die Dunkelheit ihr bot, und nicht ahnend, wie nahe ich ihr war, rief sie: »Wer ist es? Wer ist da?«
    Ich antwortete nicht, machte kein Geräusch, bewegte mich nicht einmal. Irgendwo da draußen hatte jemand eine Waffe mit Schalldämpfer, und ehe ich nicht mit dem fertig war, war es nicht sicher, hinunterzusteigen in den Schlamm. Ich wartete lange. Dann humpelte Fiona zum Wartburg, beugte sich hinein und schaltete den noch leuchtenden Scheinwerfer ab.
    Jetzt lag der Platz in

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