Gefaehrliche Begierde
aufzuhören.«
Alexandra fuhr zögernd mit der Zungenspitze über ihre Lippen. Es war das erste Mal, und wenn es erst einmal geschehen war, so wusste sie, dass es kein Zurück mehr gab. Sie lächelte
über ihren eigenen Wagemut. »Ich bin sicher. Ein Kuss zum Abschied, dann ist alles erledigt!«
Alexandra warf erneut einen Blick auf ihr Spiegelbild, dann griff sie zur Schere und schnitt ihre langen Locken ab. »Oh, mein Gott, ich sehe wirklich ganz unglaublich aus!«, rief sie voller Freude. Monotone, langweilige Anständigkeit war für Alexandra ein Gräuel, die sich danach sehnte, in London zu leben und aus erster Hand die Verrücktheiten der beau monde zu erleben..
Sie hatte alle Skandalgeschichten von Fanny Burney gesammelt und hatte den Ehrgeiz, selbst eine Schriftstellerin zu werden. Im letzten Monat hatte sie im Town and Country Magazine gelesen, dass die meisten der weiblichen Schriftsteller sich das Haar hatten abschneiden und männliche Kleidung tragen müssen, ehe man sie überhaupt ernst genommen hatte, und selbst dann mussten sie ihre Bücher anonym in dem von Männern beherrschten Metier veröffentlichen. Es wurde sogar behauptet, dass Charles Lamb, der Essayist und Humorist, in Wirklichkeit Mary Lamb hieß.
Während Alexandra badete und sich das frisch geschnittene Haar wusch, beschloss sie, dass sie eine männliche Version ihres Namens benutzen würde, wenn sie nach London ging, um ihr Ziel zu verfolgen. Alex Sheffield klang doch wirklich sehr gut! Als ihr Haar getrocknet war, war sie bestürzt über die unzähligen Locken und Strähnen, die wie ein rotgoldener Heiligenschein ihr Gesicht umrahmten, und sie fürchtete, dass sie noch immer viel zu weiblich aussah. Als sie dann die geschwungene Treppe hinunter zum Salon ging, wo nachmittags der Tee serviert wurde, hielt die Stimme ihres Bruders Rupert sie auf.
»Gütiger Himmel, Alex, was hast du denn angerichtet? Die gehobene Gesellschaft wird behaupten, du seist genauso verrückt wie deine Großmutter! Niemand wird dir einen Antrag machen, jetzt wo du dich selbst zu einem verdammten Irren gemacht hast.«
Alexandra wirbelte herum und hob störrisch das Kinn. »Das, du ungehobelter Rupert, ist ja der Zweck des Ganzen! Ich bin erst siebzehn, ich möchte gar nicht, dass mir jemand einen Antrag macht.«
»Nun, das werden sie trotzdem tun, auch wenn du ein hässliches Entlein geworden bist. Du bist eine Erbin, Alex, daran kannst du nichts ändern.«
Als sie unten angekommen waren, kamen sie gerade noch rechtzeitig, um ihre Großmutter, Lady Dorothy Longford, zu sehen, die sich von einem modisch gekleideten Mann verabschiedete.
»Es ist schön, Geschäfte mit Ihnen zu machen, Viscountess.«
»Nennen Sie mich doch einfach meine Lady.« Dottie stieß ihn mit ihrem Spazierstock aus Ebenholz an. »Und denken Sie daran, Sie müssen nach Einbruch der Dunkelheit kommen, sonst werden Sie nicht eingelassen werden. Ich werde dann nämlich dafür sorgen, dass mein Wildhüter die Hunde auf Sie hetzt.« Die Witwe Viscountess Dorothy Longford führte ein strenges Regiment und herrschte über alle, die in ihre Nähe kamen.
Sowohl Rupert als auch Alexandra waren Dotties exzentrisches Benehmen und ihre außergewöhnlichen Bekanntschaften gewöhnt. Da es im Herrenhaus von Longford weder einen Wildhüter gab noch Hunde, dachten sie nicht länger über den Besucher nach.
Lady Longford rückte ihre grelle rote Perücke zurecht, zog an dem Klingelzug, damit der Tee gebracht wurde, dann hob sie ihr Lorgnon, um ihre Enkelin genauer zu betrachten. Als sie fertig war, sagte sie nur: »Mmmm.«
Alexandra wartete auf die Schelte ihrer Großmutter.
»Ich denke, du hast dich zu einem Original gemacht. Ein Satansbraten mit dem Heiligenschein eines Engels... wie einzigartig! Diese kurzen, zerzausten Locken machen dich größer. Deine langen Beine lassen dich jung und ungestüm aussehen ... für einen Mann wird es schwer sein, dir zu widerstehen. Du wirst der letzte Schrei sein, genau wie ich es früher war.«
Das war eine schreckliche Untertreibung, zu ihrer Zeit war Dottie viel mehr gewesen als nur der letzte Schrei. Dennoch hatte ihr skandalöses, unkonventionelles Benehmen sie nicht davon abgehalten, den Viscount Russell Longford zu heiraten, den reichsten Adligen in Bucks. Die Ehe hatte sie jedoch nicht gezähmt, es ging das Gerücht, dass sie genauso viele Liebhaber gehabt hatte wie Königin Charlotte Kinder hatte, erstaunliche fünfzehn!
»Ich will gar nicht der letzte
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