Gefaehrliche Gefuehle
jemand zusammen sieht«, warnte er mich und tat tatsächlich so, als ob er einfach nur mein Bodyguard wäre. Also echt! Immerhin fand ich in meiner Lieblings-Schuhboutique schwarze Wildlederstiefeletten von Sergio Rossi. Sie hatten zwar leichte Plateau-Absätze, doch trotzdem konnte ich gut darin laufen.
Da mein Outfit komplett (und übrigens absolut umwerfend!) war, konnte ich mich für den Rest des Nachmittags auf andere Dinge konzentrieren. Zum Beispiel darauf, Enzo aus der Reserve zu locken. Zurückhaltend zu sein, war ja so was von schwer! Und echt überhaupt gar nicht mein Ding. Ich hatte da auch schon so eine Idee ...
»Los, komm. Ich brauche noch ein paar warme Socken. Meine Füße sind nachts immer echte Eisklötze«, sagte ich munter und steuerte auf das nächste Kaufhaus zu. Er hob eine Augenbraue und sah mich amüsiert an. Gut, ich brauchte wirklich warme Schlafsocken. Aber es war auch kein Zufall, dass direkt gegenüber von der Sockenabteilung die Unterwäscheabteilung war. Während ich den Sockentisch durchwühlte, beobachtete ich ihn. Sein Blick streifte über die feine Spitzen-Lingerie.
»Was meinst du?«, sagte ich neckisch. Und dann hatte ich eigentlich was Verführerisches sagen wollen wie »Würde mir so was stehen?« oder »Soll ich das mal anprobieren?«. Aber mir blieben die Worte im Hals stecken. Das war doch wohl viel zu aufdringlich! Und überhaupt gar nicht mein Stil. Oder doch? Alte Schabe, ich hatte ja so gar keinen blassen Schimmer, wie man sich seinem Freund gegenüber richtig verhielt! Und niemanden, mit dem ich darüber reden konnte. Ich konnte ja schlecht meine Mutter zurate ziehen. Und eine beste Freundin hatte ich derzeit auch nicht. Geschweige denn überhaupt irgendwelche Freundinnen. Und meinen besten Freund konnte ich so was natürlich auch nicht fragen. Schöner Mist. Ich musste es einfach so machen, wie ich es für richtig hielt. Und ich hielt es jetzt und hier einfach mal für richtig, meinen neuen Freund zu küssen. Was ich heute nämlich noch so gut wie gar nicht gemacht hatte. Ich war regelrecht auf Knutschentzug! Da hatte ich eine Idee. Ich würde ihn jetzt in eine Umkleidekabine ziehen, um ganz ungestört und vor allen neugierigen Blicken sicher zu sein.
»Was hast du vor?«, fragte er, als er meinen entschlossenen Gesichtsausdruck bemerkte. »Du siehst aus, als wolltest du einen Hirsch mit bloßen Händen erlegen.«
»So was in der Art«, sagte ich, ging in Richtung Umkleidekabinen und bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, mir zu folgen. Drei Reihen weiter sortierte eine Verkäuferin T-Shirts in ein Regal. Sie sah in unsere Richtung.
Vor den Umkleiden blieb ich stehen und sagte leise zu Enzo: »Ich gehe jetzt dahinein, und wenn die Luft rein ist, kommst du nach, okay?«
Er verdrehte belustigt die Augen. »Wird gemacht, Chefin.«
Vor lauter Aufregung fiel mir meine Tasche auf den Boden, als ich sie an den Haken der Umkleidekabine hängen wollte. Schnell hob ich sie auf, dann überprüfte ich den Sitz meiner Haare (mittelmäßig) und legte Lipgloss auf (völlig egal, dass er gleich weggeknutscht wäre). Dann setzte ich mein verführerischstes Lächeln auf und wartete. Es dauerte ziemlich lange. Was war los? Ich warf einen Blick in den Spiegel und bemerkte, dass mein verführerisches Lächeln so aussah, als hätte ich Zahnschmerzen (Notiz an mich selbst: zu Hause üben!). Außerdem war mir sowieso nicht mehr nach Lächeln. Wo blieb der Kerl? Traute er sich etwa nicht?
»Enzo!«, hörte ich plötzlich eine weiche, tiefe Frauenstimme sagen. »Das ist ja eine Überraschung.«
»Violetta!«, rief Enzo. Violetta? Wer um alles in der Welt hieß denn Violetta? Ich öffnete die Tür einen Spalt und linste hinaus. Da sah ich sie. Enzo. Und diese Frau. Sie küsste ihn auf beide Wangen.
»Madonna«, rief sie affektiert und entlarvte sich mit ihrem perfekten italienischen Akzent als Landsfrau von Enzo. »Gut siehst du aus!«, säuselte sie weiter. »Macht dir deine Oma immer noch jeden Sonntag Canelloni?« Sie lachte und schüttelte dabei ihre armreifgroßen silbernen Creolen und ihre schwarzen Haare, die dick wie Schiffstaue waren und glänzten wie Seide im Licht der aufgehenden Sonne. Ich schnappte mir sofort meine Tasche und verließ die Umkleide, um mir das Ganze etwas näher anzusehen. Hocherhobenen Kopfes schlenderte ich scheinbar zufällig in die Nähe der beiden. Enzo stand mit dem Rücken zu mir und ich hatte einen guten Blick auf Violetta. Sie war einen Kopf kleiner
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