Gefaehrliche Gefuehle
was muss man sich da verkleiden?«
»Dieses Mal ist das Thema Literarische Figuren«, sagte Kim. »Also Homer Simpson und so was.«
»Ich würde Homer Simpson nicht unbedingt als literarische Figur einordnen, aber wir verstehen, was du meinst«, warf Nora besserwisserisch ein. Sie wurde aber nicht weiter beachtet.
»Muss man sich da wirklich verkleiden?«, fragte ich.
»Na klar«, sagte Kim. »Ohne Kostüm kommt man nicht rein.«
»Stimmt doch gar nicht«, widersprach Jennifer. »Natürlich kommt man auch ohne Kostüm rein.«
»Du hast wieder mal keine Ahnung«, ätzte Kim. Die beiden hatten sich anscheinend nur noch in der Wolle, jetzt, wo ihre Anführerin Milena nicht mehr da war.
»Wenn sie in ihren normalen Klamotten geht, kann sie immer noch sagen, sie wäre eine Figur aus einem Sophie-Kinsella-Roman«, beharrte Jennifer.
»Ich gehe als Elizabeth Bennet aus Stolz und Vorurteil«, verkündete Diana schnell.
»Das ist gemein!«, zeterte Heidrun Zumke. »Als die wollte ich gehen!« Sie hatte einen neuen Wintertrend für sich entdeckt und trug geflochtene und mit Glasperlen verzierte Strickstirnbänder. Das alleine war schon scheußlich, aber zu allem Überfluss klemmte sie ihre langen Haare auch noch so unter das Stirnband, dass sie einseitig auf ihre rechte Schulter fielen. Es sah so was von behämmert aus! Ihr Spiegelbild zu Hause musste ein verlogenes Miststück sein, dass es sie so unter Leute gehen ließ.
»Ich verkleide mich als Holly Golightly«, rief Deborah. Es hagelte noch ein paar berühmte Damen aus der Weltliteratur.
»Auf jeden Fall gewinne ich den ersten Preis, Ladys«, schloss Kim die Diskussion ab. »Findet euch schon mal damit ab.«
»Welchen ersten Preis?«, fragte ich.
»Das beste Kostüm wird gewählt und der Sieger gewinnt eine Reise nach Rom. Am Silvesterwochenende. Und Eintrittskarten für die Neujahrsmesse des Papstes«, erklärte Merle aufgeregt. Mmmh. Vielleicht sollte ich mich doch verkleiden. Enzo und ich an Silvester in Rom! Die Messe könnten wir uns schenken, aber da gäbe es sicher einige andere interessante Dinge, die wir tun könnten … doch weiter kam ich mit meinem Tagtraum nicht, denn unsere Sportlehrerin, Frau Lutz, rief uns in die Halle. Ihre aschblonden Locken wippten energisch und die Oberschenkelmuskeln strafften sich unter ihrer Shorts, als sie verkündete: »Los, Mädchen! Zum Aufwärmen gibt es Musik! Heute wird getanzt.«
Als Vorbereitung auf den Schulball sollten wir tatsächlich Walzer und Foxtrott tanzen üben, sagte sie, aber zum Glück war ich mit meiner Abscheu gegen Standardtänze nicht allein. Auch die Mädels meuterten und meinten, wir sollten besser »richtig tanzen«.
»Was meint ihr mit richtig tanzen?«
»Na, Hip-Hop und so.«
»Super«, sagte Astrid Lutz grinsend, »das ist auch das viel bessere Cardiotraining.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Deborah skeptisch.
Als Astrid Lutz uns fünf Minuten später zu den Beats von Jay-Z erbarmungslos durch die Halle scheuchte, hatte sich Deborahs Frage eindeutig von selbst erledigt.
5
I ch freute mich auf den Nachmittag! Seit Enzo mir nicht mehr kolossal auf die Nerven ging – ganz im Gegenteil –, konnte ich ihn sogar beim Shoppen ertragen. Der Himmel war strahlend blau und es war eiskalt. Genau richtig, um ausgiebig in den angenehm warmen Kaufhäusern nach Accessoires zu stöbern, die zu meinem sensationellen Marc-Jacobs-Kleid passen würden. Meine Mutter hatte mir eine SMS geschickt, dass ihre Freundin es besorgt hatte und ich es in ihrer Boutique anprobieren könnte. Enzo fuhr mich hin, wartete aber diskret draußen. Ich hatte mich nicht getäuscht mit dem Kleid: Es war wie für mich gemacht. Der etwas ausgestellte Rock mit der schwarzen Zierbordüre überdeckte noch genau die Stelle an meinen Oberschenkeln, an denen sie etwas zu kräftig waren. Die weiß-grauen Blumen aus Spitze über dem schwarzen Unterkleid waren kein bisschen spießig, sondern einfach nur cool und die kurzen Ärmel fand ich auch klasse. Auch Mamas Freundin Ines war begeistert.
Jetzt brauchte ich nur noch ein passendes Paar Schuhe. Schwarze Ankleboots zum Beispiel. Aber ich hatte ja sowieso vor, noch ein bisschen mit Enzo durch die Stadt zu bummeln. Shoppen und Küssen – wenn das nicht die perfekte Kombination für einen großartigen Nachmittag war! Doch so richtig wollte mein Wohlfühlnachmittag nicht in die Gänge kommen. Enzo blieb auf Abstand und flüchtete geradezu, wenn ich ihm zu nahe kam. »Wenn uns
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