Gefaehrliche Verstrickung
sich, ob Stuart es auch bemerkt hatte -, dass er diesmal nicht das Adjektiv »ehemaliger« vor das Wort »Dieb« gestellt hatte und dass Stuart ihn dahingehend auch nicht korrigiert hatte. »Sie sind mit Ihren Komplimenten ganz schön geizig geworden.«
»Ich bin nicht hier, um Ihnen mit Komplimenten zu schmeicheln, Philip, sondern allenfalls, um herauszufinden, was zum Teufel so wichtig sein könnte, dass Sie mich mitten in diesem verdammten Winter nach New York gehetzt haben.«
»Würden Sie Wert auf zwei legen?«
»Zwei was?«
»Diebe, Stuart.« Er nahm sich eines der kleinen Dreiecke von Spencers Teller und meinte: »Sie sollten das mal mit Vollkorntoast probieren.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
Für Philip stand in diesem Augenblick eine Menge auf dem Spiel, aber das war in seinem Leben schon immer so gewesen: Stets hing sein Glück an einem seidenen Faden und vom richtigen Handeln im richtigen Moment ab. Er war ein Dieb gewesen, ein ganz exzellenter Dieb, der Leute wie Cap- tain Stuart Spencer auf tausend Umwegen immer wieder in Sackgassen gelockt, sie von London nach Paris, von Paris nach Marokko und von dort zu irgendeinem anderen Ort der Welt gehetzt hatte, wo die nächste Beute auf ihn wartete. Dann jedoch hatte er eine Wende um hundertachtzig Grad vollzogen, die Seiten gewechselt und von da ab für Spencer und Interpol gearbeitet, statt gegen sie.
Es war eine rein rechnerische Entscheidung gewesen; eine
Frage von finanziellen Vor- und Nachteilen. Worum es ihm jetzt ging, war eine eher persönliche Angelegenheit.
»Lassen Sie uns mal rein hypothetisch annehmen, ich würde einen absolut cleveren Dieb kennen, einen, der Interpol die letzten zehn Jahre erfolgreich an der Nase herumgeführt hat, einen, der vorhat, sich aus dem aktiven Geschäftsleben zurückzuziehen und seine Dienste im Austausch für gerichtliche Nachsicht anzubieten.«
»Sie sprechen vom Schatten.«
Mit übertriebener Akribie zupfte sich Philip die Toastkrümel von den Fingerkuppen. Er war ein überaus ordentlicher Mensch, teils aus Gewohnheit, teils aus Notwendigkeit. »Rein hypothetisch, wohlgemerkt.«
Der Schatten. Spencer vergaß seine schmerzende Ferse und die Unannehmlichkeiten der Zeitverschiebung nach dem langen Flug. Juwelen, deren Werte in die Millionen Dollar gingen, hatte dieser gesichtslose Dieb gestohlen, den man »den Schatten« nannte. Zehn Jahre lang hatte Spencer ihn verfolgt, gejagt, und immer wieder war er ihm entwischt. Seit acht Monaten hatte Interpol die Fahndung nach ihm verstärkt, war sogar so weit gegangen, einen Dieb zu engagieren, um einen anderen zu fangen - Philip Chamberlain, den einzigen Dieb, dessen Beute die des Schattens noch um einiges übertraf. Den Mann, dachte Spencer, und kalte Wut stieg in ihm hoch, dem er vertraut hatte.
»Verdammt, Sie wissen, wer er ist. Sie haben gewusst, wo er ist und wo wir ihn finden können.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch. »Zehn Jahre. Zehn verdammte Jahre lang waren wir hinter dem Kerl her. Der Teufel soll Sie holen. Seit Monaten bezahlen wir Sie schon dafür, ihn zu finden, und Sie spielen mit uns Katz und Maus. Sie haben die ganze Zeit gewusst, wer er ist und wo er ist. Die ganze Zeit!«
»Vielleicht.« Philip spreizte seine langen, kunstfertigen Finger. »Vielleicht auch nicht.«
»Am liebsten würde ich Sie in einen Käfig sperren und den Schlüssel in die Themse werfen.«
»Aber das tun Sie nicht, weil ich der Sohn bin, den Sie nie hatten.«
»Ich habe einen Sohn, verflucht noch mal!«
»Aber keinen wie mich.« Philip lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück und fuhr fort: »Was ich Ihnen vorschlagen will, ist der gleiche Deal, den wir beide vor fünf Jahren abgeschlossen haben. Damals waren Sie der Meinung, dass es entscheidende Vorteile bringt, den Besten anzuheuern, anstatt den Besten zu jagen.«
»Wir haben Sie engagiert, den Schatten dingfest zu machen, und nicht, um über ihn zu verhandeln. Wenn Sie einen Namen haben, so will ich ihn wissen. Wenn Sie eine Beschreibung von ihm haben, dann her damit. Fakten will ich sehen, Philip, keine hypothetischen Vorschläge.«
»Sie haben nichts in der Hand«, stieß Philip hervor. »Absolut nichts, nach zehn Jahren. Wenn ich jetzt hier rausspaziere, haben Sie immer noch nichts.«
»Sie werde ich haben.« Spencers Stimme klang ausdruckslos, aber entschieden genug, dass Philips Augen schmal wurden. »Einem Mann Ihrer Lebensart würde es im Knast nicht gefallen.«
»Drohungen?« Ein rascher,
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