Gefaehrliche Verstrickung
verborgen.
»Du siehst wunderhübsch aus.« Phoebe drehte ihre kleine Tochter zu sich herum, um sie zu umarmen. An einem anderen Tag hätte Adrianne nicht bemerkt, wie eng ihre Mutter sie an sich drückte, nicht die Verzweiflung in ihrer Stimme wahrgenommen. »Meine kleine Prinzessin. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Mehr als alles auf der Welt.«
Sie duftete nach Blumen, duftete wie die Vollreifen üppigen Blüten draußen im Garten. Tief sog Adrianne diesen Duft ein, als sie ihr Gesicht an Phoebes Brüste drückte. Sie küßte sie und erinnerte sich daran, wie grob und hässlich ihr Vater sie in der Nacht zuvor behandelt hatte.
»Du wirst nicht weggehen? Du wirst mich nicht verlassen?«
»Wie kommst du denn auf diesen Gedanken?« Mit einem halbherzigen Lachen drückte sie ihre Tochter auf Armlänge von sich weg, um sie anzusehen. Als sie ihrer Tränen gewahr wurde, erstarb ihr Lachen. »Oh, mein armer Liebling, was hast du denn?«
Traurig ließ Adrianne ihren Kopf auf Phoebes Schulter sinken. »Ich habe geträumt, dass er dich weggeschickt hat. Dass du fortgehst und ich dich nie wiedersehe.«
Phoebe zögerte einen Augenblick, bevor sie fortfuhr, ihre Tochter behutsam zu streicheln. »Das war doch nur ein Traum, mein Kleines. Ich werde dich nie verlassen.«
Adrianne kuschelte sich auf Phoebes Schloss und genoss die zärtlichen Tröstungen ihrer Mutter. Durch das Gitterwerk vor den Fenstern fielen warme Sonnenstrahlen ins Zimmer und brachen sich auf den bunten Mustern der Teppiche. »Wenn ich ein Junge wäre, dann würde Vater uns beide lieben.«
Kalte Wut stieg plötzlich in Phoebe hoch, die sie geradezu auf der Zunge schmecken konnte. Doch so schnell, wie sie gekommen war, verwandelte sie sich in Verzweiflung. Aber Phoebe war immer noch eine Schauspielerin. Wenn sie ihr Talent schon ansonsten nicht nutzen konnte, darin wenigstens dazu, das zu schützen, was ihr am nächsten stand. »Welch ein Unsinn, und auch noch an deinem Geburtstag. Was kann schon daran schön sein, ein Junge zu sein. Die können keine so hübschen Kleider tragen wie du.«
Adrianne kicherte über diese Vorstellung und schmiegte sich noch enger an ihre Mutter. »Wenn ich Fahid ein Kleid überziehe, sieht er aus wie eine Puppe.«
Phoebe preßte ihre Lippen aufeinander und versuchte den kommenden Schmerz zu ignorieren. Fahid. Fahid war der Sohn, den Abdus zweite Frau zur Welt gebracht hatte, nachdem sie versagt hatte. Nein, nicht versagt, ermahnte sie sich. Sie fing schon an, wie eine Moslemfrau zu denken. Wie könnte sie versagt haben, wenn sie gerade ihr wunderschönes Kind in den Armen hielt?
Du hast mir nichts gegeben. Ein Mädchen. Das ist weniger als nichts.
Alles, dachte Phoebe wütend. Ich habe dir alles gegeben.
»Mama?«
»Ich war in Gedanken.« Phoebe lächelte, als sie Adrianne sanft von ihrem Schloss schob. »Ich habe mir gerade überlegt, dass du noch ein Geschenk bekommen sollst. Ein ganz besonderes.«
»Ein besonderes?« Adrianne klatschte vor Freude in die Hände. Die Tränen waren vergessen.
»Setz dich hin und mach die Augen zu.«
Adrianne gehorchte sofort, und obwohl sie versuchte, still zu sitzen, zappelte sie ungeduldig auf dem Stuhl hin und her. Phoebe hatte die kleine Glaskugel im Schrank zwischen ihren Kleidern versteckt. Es war nicht einfach gewesen, sie ins Land zu schmuggeln, aber sie hatte gelernt, erfinderisch zu sein. Auch mit den Pillen war es nicht leicht gewesen, die kleinen, rosa Pillen, die es ihr ermöglichten, die Tage durchzustehen. Sie betäubten den Schmerz und erleichterten das Herz. Der beste Freund einer Frau. Weiß Gott, in diesem Land ist eine Frau wahrhaftig auf jeden Freund angewiesen. Wenn man die Pillen bei ihr entdeckte, würde man sie öffentlich hinrichten. Und wenn sie diese Pillen nicht hätte, wüßte sie auch nicht, ob sie ohne sie überleben würde.
Ein gefährlicher Kreislauf ohne Ende. Der einzige Mensch, der sie am Leben erhielt, war Adrianne.
»So, da ist es.« Phoebe kniete sich vor den Stuhl. Das Kind trug eine Saphirkette um den Hals und funkelnde Ohrringe. Phoebe dachte, nein, sie hoffte, dass dieses kleine Geschenk, das sie Adrianne nun geben wollte, ihr mehr bedeuten würde. »Jetzt kannst du deine Augen wieder aufmachen.«
Es war ein einfaches, beinahe lächerliches Geschenk. Für ein paar Dollar konnte man es in den Staaten vor Weihnachten in jedem x-beliebigen Laden kaufen. Adriannes Augen weiteten sich, als hielte sie ein magisches Zauberding in
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