Gefaehrliche Versuchung
sie.
Kate blinzelte. Diese Idee war ihr noch gar nicht gekommen. »Ich bin mir nicht sicher.«
»Gab es in der feinen Gesellschaft in letzter Zeit noch weitere mysteriöse Todesfälle von Ehefrauen?«
Das war etwas, das Kate wusste, denn Bea liebte Beerdigungen fast so sehr wie Hochzeiten.
»Sally, Baroness Sanbourne. Gestorben an den Pocken. Miss Mildred Weaver-Fry. Die Treppe hinuntergestürzt.« Sie dachte nach, doch ihr fielen keine weiteren Beispiele ein. »Ich werde Bea fragen.«
Harry schüttelte bereits den Kopf. »Sanbourne? Er ist Assistent des Finanzministers. Hast du Marcus davon erzählt?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Nein. Nur von Pamela. An die anderen habe ich gar nicht gedacht.«
Harry stand auf und griff nach seiner Uniformjacke. »Ich werde es lieber Marcus erzählen. Gott, wenn diese Frauen noch am Leben sind, wären sie die besten Quellen für Informationen.«
Kate hob den Kopf. »Du glaubst mir?«
Er sah sie voller Bedauern an. »Ich weiß es nicht. Ich weiß allerdings, dass wir die Möglichkeit nicht unberücksichtigt lassen können. Wenn es stimmt …« Er schüttelte den Kopf. »Es eröffnet unglaubliche Möglichkeiten.«
»Und wenn es nicht stimmt?«
Er hob die Hand und legte sie liebevoll an ihre Wange. »Dann nicht.«
Dieses Mal war Kate zu gedankenverloren, um zu ahnen, was Harry vorhatte. Als er sie auf die Beine zog, wäre sie beinahe davongestürzt. Er ließ ihr nicht die Möglichkeit. Seine Lippen waren vorsichtig, aber der Kuss war tief und innig. Kate schmeckte Kaffee und Pfefferminz. Sie roch frisches Leinen, Leder und Mann. Sie kämpfte gegen das Schwindelgefühl an, das sie zu überwältigen drohte.
Dann hob er den Kopf, und sie war von dem intensiven Ausdruck in seinen Augen gefesselt. »Am Ende ist ein Albtraum trotzdem nicht mehr als ein Albtraum.«
Sie war erschüttert. Wie konnte er das so unbekümmert sagen?
»Wie wäre es, wenn wir uns heute Nacht gegenseitig ein bisschen wärmen würden?«, fragte er. »Vielleicht sind die Albträume dann für uns beide leichter zu ertragen.«
Mit einem Mal war sie versucht, zuzustimmen. Es war verlockend, von einem anderen Menschen in den Armen gehalten zu werden. Tatsächlich könnte sie sich daran gewöhnen und es mögen.
Was es jedoch nur noch schwerer machen würde, wenn sie es nie wieder spüren würde.
Schließlich konnte sie gerade noch den Mut aufbringen, ihm zu sagen, dass sie darüber nachdenken würde. Harry hauchte einen Kuss auf ihre Stirn und geleitete sie zu ihrem Boudoir. Dann ließ er sie mit ihrem langsam erwachenden, aufgeregten Körper, einem schlechten Gemälde, das sie daran erinnerte, was sie verloren hatte, und einer Einladung, den ersten zaghaften Schritt nach vorn zu machen, zurück.
Nicht weit entfernt, in einer Seitenstraße der St. Martin’s Lane, schwang die Tür zum Black Cat Pub auf, und ein Mann trat heraus. Für den Pub oder die Gegend, tief in den Seven Dials, wo mit Kleidern und Produkten aus zweiter Hand gehandelt wurde und wo die Armen gerade noch so an ihrer Ehrbarkeit festhielten, fiel der Mann nicht weiter auf. Mittelgroß und unscheinbar, trug der Mann eine Sammlung von nicht zusammenpassenden Kleidungsstücken, die er seinen Opfern abgenommen hatte: eine braune Reitjacke, eine dreckige smaragdgrüne Weste, sechs Uhrenketten und einen brandneuen, glockenförmigen Kastorhut. Er pfiff, als wäre er vollkommen unbekümmert, aber seine Blicke huschten unentwegt über die belebte, düstere Straße. Er hatte gerade eine glänzende goldene Taschenuhr hervorgezogen und klappte sie auf, als eine hübsche rothaarige Frau auf ihn zugeschlendert kam.
» Ah, bonsoir «, gurrte sie lächelnd. »Sie sind Monsieur Mitchell, oui ? «
Mitchell blickte abrupt auf, und seine Augen wurden groß. »Kenne ich Sie, meine Liebe?«
Mit einem verschwörerischen Lächeln ergriff sie seine Hand und führte ihn fort. »Mir ist von les Lions gesagt worden, dass Sie und Ihr Freund die Duchess of Murther umbringen sollen. Doch Sie waren der Mutige, der in ihr Haus eingedrungen ist und ihr den Weg die Treppe hinunter gezeigt hat.«
Nachdem er sich eilig umgesehen hatte, grinste Mitchell. »Billy meinte, ich solle es wie einen Unfall aussehen lassen. Und das habe ich getan.«
In einer Seitengasse blieb sie stehen und strich mit einem schlanken Finger über die Vorderseite seiner leuchtend grünen Weste. »Hm, ja. Sehr wagemutig. Wie schade, dass sie nicht gestorben ist. Les Lions haben mich, Mimi,
Weitere Kostenlose Bücher