Gefaehrliche Versuchung
hatte; an die samtige Haut, als sie sich aneinandergeschmiegt hatten, Hüfte an Hüfte, Bauch an Bauch; an ihre üppigen Brüste, die sie an seinen Oberkörper gedrückt hatte.
Und die Erinnerung an ihre Augen. Grasgrün, mit kleinen gelblichen Einschlüssen. Augen, die zu strahlen begannen, wenn sie aufgeregt war, und die weich wurden, wenn sie sich küssten. Diese Augen waren früher das Hübscheste an ihr gewesen – so wandelbar und lebendig wie ein Moor unter dahinziehenden Wolken. Er hatte von diesen Augen gezehrt und hatte sie absichtlich gereizt, Vergnügen, Wut oder Freude in ihr ausgelöst, um die Emotionen in ihrem Blick zu sehen.
Jetzt allerdings wirkten diese Augen so scharf wie Scherben – zerbrechlich, wissend, gerissen. Ein passender Spiegel der Seele, die in diesem Körper wohnte. Seine Erinnerungen waren Lügen.
Konnte er wirklich dem hinterhertrauern, was er geglaubt hatte, in ihren Augen zu sehen? Er konnte es. Er tat es. Denn in dem Sommer, den sie gemeinsam verbracht hatten, hatte er gedacht, dass diese Augen all das auf der Welt widerspiegelten, was gut, hell und möglich war. In dem Sommer hatte er es geglaubt. Er hatte an sie geglaubt.
Er war so unschuldig gewesen.
Nun ja, Kate hatte das erledigt. Kate und die Schlachtfelder Europas. Das Einzige, an was Harry jetzt noch glaubte, war ein gutes Fundament. Der Schwung einer schlichten Treppe, die Annehmlichkeit eines wohl platzierten Fensters, ein stabiles Dach. Die elegante Geometrie der Architektur.
Er lächelte säuerlich. Na ja. Offensichtlich glaubte er auch an die Lust. Hatte er gerade nicht ein untrügliches Beispiel dafür gespürt? Und er war damit nicht allein gewesen. Er hätte schwören können, dass Kate genauso erregt gewesen war wie er. Er hatte es gefühlt. Ihr Körper war ihm näher gekommen wie Metall einem Magneten. Egal, was zuvor vorgefallen war oder was noch geschehen würde – in dem Moment hatte sie ihn genauso sehr begehrt wie er sie. Zumindest das hatte sich nicht geändert.
Das half ihm sehr.
Seufzend straffte er die Schultern. Jetzt musste er vorsichtiger sein als je zuvor. Disziplinierter. Er wollte nicht derjenige sein, der die Löwen entwischen ließ.
Er war nur so müde. Und Kate war noch immer Kate. Es würden einige sehr lange Tage werden.
»Möchten Sie sich nicht ein bisschen hinlegen und ausruhen, Major?«, erklang eine Stimme.
Überrascht blickte er auf und sah seinen Offiziersburschen mit einer brennenden Kerze in der Hand nur einen Meter entfernt in der Tür zur Bibliothek stehen. »Danke, nein, Mudge. Ich fürchte, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.«
»Ich werde hier unten für Sie Wache schieben, Sir«, beharrte der Junge.
Früher einmal, auf dem Kontinent, hatte Harry ein Gemälde mit Engeln von Botticelli gesehen. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, dann hätte er schwören können, dass einer dieser Engel vor ihm stand: jung, schlank, wunderschön, mit lockigem braunem Haar und großen, schimmernden braunen Augen, die so unschuldig wie die eines Kindes blickten. Definitiv zu hübsch, um schutzlos in eine Truppe von Grenadieren gesteckt zu werden.
Harry richtete sich so gerade wie möglich auf und schritt in den Raum, den seine Bediensteten »das Hauptquartier« nannten. »Es gibt viel zu tun, Mudge. Lass uns anfangen.«
»Bitte, Sir«, sagte Mudge und folgte ihm. »Wir sollen doch nicht etwa hierbleiben, oder?«
Anscheinend war Mudge schon in dem Raum gewesen. Die Fensterläden waren aufgestoßen worden, um das bleiche Mondlicht hereinzulassen. Leider half das nicht dabei, das Elend zu verbannen.
»Tut mir leid, Mudge«, sagte Harry. Er schnallte die Satteltaschen los, die auf dem Schreibtisch aus Eiche lagen, der anderweitig benutzt wurde. »Das hier ist für die nächste Zeit unser Feldlager. Mr. Hilliard hat mir versichert, dass es schon seit so langer Zeit ungenutzt ist und dass niemand auf die Idee kommen würde, uns hier zu suchen.«
Mudge ließ den Blick durch den Raum gleiten, als wäre er ein christlicher Märtyrer, der sich im Kolosseum umsah. »Ich bin mir sicher, dass das alles schön und gut ist, Sir …«
Harry konnte es dem Jungen nicht verübeln. Die Bibliothek sah genauso trostlos aus wie der Rest des Hauses. Was einst ein mit Eichenholz getäfelter Raum gewesen war, verschönert mit einer kunstvollen Kassettendecke und Fenstern mit Spitzbögen, war inzwischen ein leeres, stockfleckiges, heruntergekommenes Zimmer ohne Bücher, wo sich die Farbe von
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