Gefaehrliche Versuchung
sicherlich zum Tee versammelt.«
Bea lachte leise und richtete ihre elegante cremefarbene Cumberland-Haube. »Hussa und los!«, rief sie. Es war ihr Lieblingsausruf fürs Gefecht. Kate lachte und drückte ihre Hand. Sie hoffte, ihre Stimme klang in Beas Ohren nicht so panisch, wie sie sich für sie anhörte.
Wie sie gehofft hatte, war es an diesem Tag ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, und die Glastüren zum Salon standen offen. Die Stimmen der Damen drangen nach draußen. Es klang wie in einer Voliere. Kate vermutete, dass mindestens zwanzig Frauen in dem breiten langen Raum sein mussten, der früher mit handbemalten mohnroten Tapeten dekoriert war. An diesem Tag schien die Sonne von den Wänden in Gold reflektiert zu werden. Als Kate näher kam, sah sie, dass alles in Goldtönen gehalten war: in dunklem Gold, in hellem Gold, mit golddurchwirktem Brokatstoff verziert. Es schien, als wäre der Salon von König Midas eingenommen worden. Grundgütiger. Was hatte Glynis aus dem einmal so fröhlichen Zufluchtsort gemacht?
Kate konzentrierte sich darauf, ihre Schwägerin und Elspeth zu finden – die einzigen Frauen, deren Reaktionen für sie eine Rolle spielten. Sie hoffte, dass Elspeth sich freuen und dass Glynis sie nicht kurzerhand wieder hinauswerfen würde. Angesichts des kämpferischen Ausdrucks auf Beas Gesicht teilte ihre Freundin diese Befürchtung.
»Ah«, rief Kate, als sie über die Schwelle trat und ihre Handschuhe auszog, »da ist sie ja. Elspeth, mein Liebling, ich bin gekommen – wie gewünscht.«
Ihre Ankunft wurde mit verdutztem Schweigen zur Kenntnis genommen. Dann brach ein Durcheinander los.
»Tante Kate!«, quietschte Elspeth glücklich und rannte, so schnell sie konnte, zu ihr. »Du bist gekommen!«
Ehe das Mädchen sich in ihre Arme warf, blieb Kate noch Zeit, um sich die altmodische Frisur und das rüschenbesetzte pinkfarbene Kleid anzusehen – beides offensichtlich von Elspeth’ Mutter angeordnet und ausgewählt.
»Selbstverständlich bin ich gekommen«, antwortete Kate und umarmte ihre Nichte herzlich. »Wie könnte ich einem meiner liebsten Mädchen auf der Welt diesen Wunsch abschlagen? Grundgütiger«, sagte sie und hielt Elspeth eine Armeslänge von sich entfernt, »wer hat dich angezogen? Mein Liebling, du bist für klare Linien und elegante Farben gemacht. Vor allem jetzt, da du bald heiraten wirst. Du siehst wie ein durchgedrehtes Püppchen aus.«
Elspeth kicherte. Hinter ihr stand Glynis und wirkte, als wäre sie zu Stein erstarrt. »Du wirst nicht die schnöde Kurzform benutzen, wenn du deine Tante ansprichst, Elspeth«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Das klingt, als wäre sie eine irische Waschfrau. Sie ist ›Ihre Durchlaucht‹.«
Kate grinste. »Eigentlich nicht, Glynis. Schon vergessen? Diesen Fehler habe ich korrigiert.«
»Also wirklich, Dolores Catherine«, widersprach Glynis. »Vor der Schwester deines Ehemannes.«
Kate knöpfte ihren rotblauen Umhang auf und lachte. »Sei nicht albern. Bea weiß besser als jeder andere, was für ein Musterknabe ihr Bruder war. Nicht wahr, Bea?«
Bea stieß ein unfeines Schnauben aus, was Elspeth noch mehr entzückte als Kate. »Sodom und Gomorrha«, sagte Bea.
»Genau genommen«, überlegte Kate laut, »war das das einzige Laster, dem Murther nicht gefrönt hat.«
»Unschuldige Zuhörer«, versetzte Glynis scharf.
»Rede keinen Unsinn«, erwiderte Kate. »Elspeth wird heiraten. Sie sollte vorbereitet sein.«
»Es liegt bei ihrem Vater und mir, sie alles zu lehren.«
»Erlaube mir, dass Wiggins zwei Zimmer herrichtet«, bat Elspeth.
Kate, die Bea half, sah auf. »Lass uns erst einmal schauen, wie sich alles entwickelt, meine Süße. Ich weiß, dass Bea gern Tee hätte. Nicht wahr, meine Liebe?«
Da Elspeth mehr Dame war als ihre Mutter, führte sie Kate und Bea umgehend zu ihren Plätzen und stellte sie den anderen Gästen vor. Kate konnte anhand der Reaktionen, die von Freude bis hin zu eisigem Schweigen reichten, sofort erkennen, welche Freundinnen zu Elspeth gehörten und welche zu ihrer Mutter.
»Lieber Himmel, Glynis«, sagte Kate und nahm ihre Teetasse entgegen, »du hast alles umgestaltet.«
»Ich habe sämtliche Zimmer umdekoriert«, informierte Glynis sie. »Sie waren einfach nicht mehr zeitgemäß.«
»Ja, Harry hat mir erzählt, dass im Anwesen der Livingstons überall Krokodile stehen. Harry hasst die Tiere, seit eines davon einem Freund von ihm ein Bein abgebissen
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