Gefaehrliche Versuchung
hat.«
Kate war mit Elspeth in eine Ecke des Salons gegangen und sprach mit ihr noch einmal über ihren Aufzug, als Bea unvermittelt ihre Teetasse abstellte. »Jordan.«
Wie sie es geplant hatten, tat Kate es ihr gleich und erhob sich. »Natürlich, meine Liebe. Ich werde es dir zeigen.«
»Den Jordan?«, fragte die verkniffen wirkende Lady Bromwell, die Augenbrauen hochgezogen.
Kate lächelte. »Die Örtlichkeiten. Bea vergeudet keinen Atem an überflüssige Worte.«
»Ich habe gehört, dass sie schwachsinnig ist«, flüsterte Lady Bromwell ihrer Sitznachbarin zu.
Kate drehte sich langsam um und richtete ihren kältesten Blick auf die Frau. Zufrieden stellte sie fest, dass diese blass wurde. »Nein, meine Liebe, ich würde sagen, dass die einzige schwachsinnige Person in diesem Raum diejenige ist, die ihre spitze Zunge nicht im Zaum halten kann.«
»So ist es«, stimmte Elspeth zu und sprang zum offensichtlichen Missfallen ihrer Mutter auf. »Ich kenne die Geschichte, wie Lady Bea ihre Verletzung erlitten hat. Sie ist eine Heldin. Stimmt es nicht, Tante Kate?«
Stumm entschuldigte Kate sich bei Bea, die so viel Aufmerksamkeit hasste. »Das ist wahr. Leider macht sie das zu einer leichten Beute für Brüskierungen von allerlei schlecht erzogenen Menschen. Als Tochter eines Dukes ist sie von viel zu edler Gesinnung, um etwas darauf zu erwidern. Als Tochter und Ehefrau eines Dukes«, fuhr Kate fort, »habe ich allerdings keine Bedenken, die Tochter eines … was sind Sie noch mal? Ach, stimmt ja … die Tochter eines emporgekommenen Ladenbesitzers zurechtzuweisen. Komm, Bea«, sagte sie und ergriff die Hand ihrer Freundin, »ich brauche frische Luft. Glynis, du hast die Örtlichkeiten nicht in einen Billardsalon umbauen lassen, oder?«
Der Plan sah vor, dass Kate die Zeit, die Bea benötigte, um sich frisch zu machen, nutzte, um in der Bibliothek nach dem Buch zu suchen. Wenn sie es gefunden hätte, würde sie es unter dem großen Bellange -Schreibtisch verstecken, und von dort sollte Bea es holen. Niemand würde Bea eines Diebstahls bezichtigen – vor allem nicht des Diebstahls eines Buches voll von schlechten erotischen Gedichten. Kate hingegen war sich nicht sicher, ob Glynis ihr Gepäck nicht nach gestohlenem Nippes durchsuchen würde.
Doch der Aufwand war umsonst. Zum ersten Mal in Kates Leben nutzte jemand die Bibliothek. Sie traf auf Elspeth’ Verlobten Adam, der in einem Ledersessel saß und die Nase in ein Buch gesteckt hatte. Sosehr Kate die Vorstellung auch missfiel – sie würde über Nacht bleiben müssen.
Der Aufenthalt in Moorhaven war genauso albtraumhaft, wie Kate befürchtet hatte. Als Edwin sie in seinem Salon entdeckte, sah er aus, als könnte er jeden Moment einen Schlaganfall erleiden. Wie Kate es sich gedacht hatte, blieb ihm und Glynis nichts anderes übrig, als Kate und Bea mit in die Feierlichkeiten einzubeziehen. Und diese Feierlichkeiten bestanden aus einem langweiligen formellen Dinner und drei quälend langen Stunden, in denen diverse Töchter anwesender Damen die Gäste mit musikalischen Darbietungen beglückten.
Gerade als Kate dachte, sie würde anfangen müssen, mit Vasen zu werfen, um den Abend zu beenden, übernahm Elspeth das auf eine sehr viel taktvollere Art für sie. Sie bat um die Erlaubnis, Bea am Piano begleiten zu dürfen. Bei dem bloßen Vorschlag blickten einige der Damen mit offenem Mund in die Runde. Sie schlossen den Mund erst eine Stunde später wieder, als Bea mit ihrer spektakulären Interpretation der »Arie der Dido« von Purcell fertig war. Da danach nichts mehr kommen konnte, löste die Gesellschaft sich auf.
Bea ging ins Bett. Sie war erschöpft von ihrem Vortrag. Es war gut, dass sie sich zurückzog, denn es wäre schwer zu erklären gewesen, warum sich die alte Dame im Morgengrauen im Erdgeschoss herumtrieb. Kate hatte sich ein königsblaues Kaschmirkleid angezogen, das sie warm hielt, und wartete in ihrem düsteren, erbsengrünen Gästezimmer darauf, dass die Männer sich endlich ins Bett zurückzogen. Als die Standuhr am Fuß der Treppe zweimal schlug, trat Kate durch die Schlafzimmertür auf den Korridor.
Im Haus war es stockdunkel. Nur ein paar in weitem Abstand zueinander aufgestellte Nachtlichter vertrieben die Schatten. Kate brauchte kein Licht, um den Weg zu finden, da sie schon oft durch diese Flure geschlichen war. Die Bibliothek befand sich hinter der dritten Tür neben der großen Treppe im Erdgeschoss, und in ihr befand sich das
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