Sexy, süß und namenlos
1. KAPITEL
„H e, Lady, wollen Sie mehr als fünfzig Dollar ausgeben, oder was?“
Die Frage des Taxifahrers lenkte Hailey Roberts’ Gedanken von der imposanten Villa hinter dem Tor ab. Bei der Erwähnung des Geldes zog sich etwas in ihrer Brust zusammen. Sobald sie den zerknitterten Schein weggegeben hätte, würde sie keinen Penny mehr besitzen – bis man sie dafür bezahlt hatte, dass sie sich auszog.
„Diese fünfzig Dollar sind alles, was ich habe. Sie sagten, das sei genug.“
Wieso hatte er es so eilig? Sie schaute von ihrer Uhr zum Taxameter. Sie hatte noch zehn Dollar und achtzig … nein, siebzig Cents Guthaben. Also blieb ihr noch genug Zeit, um den Mut zu sammeln, den sie zum Verlassen des Taxis benötigte. Plötzlich schwitzte sie in ihrem Trenchcoat und rückte näher an das offene Fenster. Doch die schwüle Hitze draußen brachte keine Abkühlung.
„Wie wär's, wenn Sie mir was von dem Geld als Trinkgeld lassen?“, meinte der Fahrer. „Schließlich brauche ich eine halbe Stunde, um wieder in die City zurückzukommen.“
Ihr wurde noch heißer. Es war ihr äußerst unangenehm, jemandem Umstände zu machen, selbst wenn es sich dabei nur um einen mürrischen Taxifahrer handelte, der sie in die demütigendste Situation ihres Lebens drängte. Nicht dass Demütigung ihr fremd war. Den größten Teil ihres Lebens hatte sie damit zugebracht, ihren Stolz zu unterdrücken und die Verwirklichung ihrer Träume aufzuschieben.
Ihre Tante hatte ihr ständig vorgehalten, dass sie und ihr Bruder Sammy – der erst ein Jahr alt gewesen war, als ihre Eltern starben – sie bloß einengten und zwei zusätzliche hungrige Mäuler waren, die sie zu stopfen habe. Schließlich hatte Hailey den Mut gefunden, auszubrechen und ein neues Leben anzufangen. Ganz gleich, was es sie kosten würde.
Jetzt oder nie, dachte sie. Du hast die Wahl zwischen diesem Abend und der Straße. Ihr Dilemma machte sie wütend. Hailey hielt sich an der Rückenlehne des Fahrersitzes fest wie an einem Rettungsseil. „Wenn Sie ein Trinkgeld wollen, stellen Sie den Taxameter aus.“
Sie war erschrocken, wie sehr sie in diesem Moment wie Tante Gracie klang, der sie doch so verzweifelt zu entkommen versuchte. Dass sie der ständigen Boshaftigkeit dieser Frau ausgesetzt war, spiegelte sich in ihren scharfen Worten wider, wenn sie sich in die Enge gedrängt fühlte.
Freundlicher erklärte sie: „Wenn ich mehr als fünfzig Dollar hätte, würde ich Ihnen für die lange Fahrt ein großzügiges Trinkgeld geben, das schwöre ich. Aber ich bin pleite. Bitte, ich brauche nur noch eine Minute. Einverstanden?“
Der Taxifahrer schob seine Mütze aus der Stirn und stellte den Rückspiegel ein, um Hailey besser sehen zu können. Dann seufzte er und schaltete den Taxameter aus. „Zwei Minuten, mehr nicht. Ich muss Geld verdienen, und in dieser vornehmen Gegend krieg’ ich keine Fuhre zurück.“
„Danke.“
Hailey stimmte seiner Einschätzung zu. Citrus Hill, Florida, war eine wirkliche vornehme Wohngegend. Die großen Backsteinhäuser lagen abseits der Straßen inmitten gepflegter und baumbestandener Rasenflächen. Bis zur Haustür der Nummer 724 in der Wellesley Lane würde sie ein ziemliches Stück zurückzulegen haben. Das war die Adresse, die ihre Cousine auf eine Serviette gekritzelt hatte, die Hailey nun in ihrer Hand zerdrückte.
Die Adresse war noch gut genug zu lesen, um sie mit den glänzenden Messingnummern am Tor zu vergleichen. Schon immer hatte Hailey ein Haus in einer exklusiven Gegend wie Citrus Hill von innen sehen wollen. Allerdings nicht unter Umständen wie diesen.
Sie barg den Kopf in den Händen und atmete tief durch. Mit etwas Glück engagierte der Bewohner von Wellesley Lane 724 nicht regelmäßig Stripperinnen. Denn wenn doch, würde er ihre Unerfahrenheit sofort bemerken. Mary Jo mochte ja glauben, dass ihre Cousine sich als Naturtalent erweisen würde, aber Hailey graute es davor, sich vor fremden Männern auszuziehen.
Ihre Cousine hatte versucht, sie zu beruhigen. „Du bist eine professionelle Tänzerin. Du ziehst deine Kleidung ständig in Umkleidekabinen aus“, hatte Mary Jo argumentiert. „Und die Hälfte der Kostüme, die du sonst beim Tanzen trägst, verbirgt nicht mehr als ein Bikini. Abgesehen davon ist der Kerl nett. Er ist nicht so vulgär, wie er alle glauben lässt. Die ganze Sache ist nur ein Streich, den sie seinem stockkonservativen Bruder spielen wollen. Hailey, Liebes, du kannst das. Du musst es
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