Gefangene deiner Dunkelheit
hockt dort in dem Baum, ich kann einen Teil des Fells erkennen. Sie wollen mich lebend, und wenn wir uns trennen, verfolgen sie vielleicht nur mich.«
»Das kannst du vergessen«, sagte MaryAnn. »Wir hatten Glück mit dem Magier, und vielleicht haben wir ja noch mal Glück, aber was immer wir auch tun, wir trennen uns nicht.«
Jasmines Augen weiteten sich. »So was nennst du Glück? Ich dachte, es wäre deine hervorragende Zielgenauigkeit gewesen.«
»Das war ich nicht, Jasmine. Der Blitz hat den Ast getroffen und abgetrennt, oder der Wind hat ihn herabgerissen. Auf jeden Fall hat es uns geholfen, und das ist das Einzige, was zählt.«
Die Luft war plötzlich so elektrisch aufgeladen, dass sich ihnen die Haare sträubten. Dunkle, von hellen Blitzstrahlen durchzogene Wolken brauten sich zusammen. MaryAnn packte Jasmine, warf sie zu Boden und bedeckte ihren Körper, so gut es ging, mit ihrem. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen schlug der Blitz in den Baum ein und zersplitterte den Stamm. Der Jaguar brüllte auf, dann trat urplötzlich wieder Stille ein, und die Luft war erfüllt von dem Geruch nach verbranntem Fleisch und Fell.
Jasmine erschauderte, und MaryAnn hielt sie noch fester. »Das war Manolito«, flüsterte sie, um das Mädchen zu beruhigen.
»Ich wusste, dass es ein Karpatianer sein musste«, gab Jasmine zu. »Ich dachte nur, es wären Riordan und Juliette.«
»Gut, dass wir jetzt Hilfe haben. Solange ist in Gefahr, Jasmine, und wir müssen sie da rausholen. Manolito wird uns helfen.«
Jasmine schluckte sichtlich und richtete sich langsam auf, als der hochgewachsene Karpatianer auf sie zukam. Die dichte Wolkendecke war hilfreich, und die Sonne ging schon unter, was ihm weitaus mehr Bewegungsfreiheit ließ. Er sah aus wie ein Krieger aus alten Zeiten, der sich leichtfüßig durch Rauch und Trümmer eines Schlachtfeldes bewegte. Sein Gesicht war grimmig und wie aus Stein gemeißelt, sein Haar so lang, dass es ihm bis weit über die Schultern reichte. Ausgeprägte Muskeln spielten unter seiner goldbraunen Haut, und seine eiskalten Augen waren schwarz und düster und enthielten zu viele Geheimnisse.
Sein Blick glitt achtlos an Jasmine vorbei zu MaryAnn, und Wärme vertrieb das Eis aus seinen Augen, als sie sich umdrehte und setzte, um zu ihm aufzuschauen. Ohne auch nur den Schritt zu verhalten, bückte er sich, um sie aufzuheben, während er gleichzeitig Jasmines Arm ergriff und auch sie vom Boden hochzog. Seine Finger auf Jasmines Haut waren unpersönlich, er sah sie nicht einmal an, oder jedenfalls nur kurz, um sicherzugehen, dass ihr nichts geschehen war. Sein Blick registrierte die Würgemale an ihrem Hals, aber dann wandte er sich gleich wieder MaryAnn zu, um sie weitaus gründlicher in Augenschein zu nehmen.
Behutsam strich er mit den Fingerspitzen über ihre Haut, nahm deren Wärme und Weichheit in sich auf und konnte nun endlich wieder atmen, da er sie am Leben wusste. Jäher Zorn trat allerdings in seine Augen, als er die klaffenden Wunden an ihrem Bein bemerkte.
»MaryAnn«, sagte er leise und zärtlich. Es war nur ein einziger Laut, doch er machte ein Gedicht daraus, als wäre sie einfach alles für ihn.
Sie versuchte, nicht darauf zu reagieren. Aber er war einfach so gefühlsbetont, dass es schwierig war, seine absolute Konzentration auf sie zu ignorieren. Sie verdrängte den brennenden Schmerz in ihrem Bein und rang sich ein Lächeln ab. »Danke, dass du so schnell gekommen bist. Solange ist im Haus und kämpft mit zwei weiteren Jaguarmännern. Ich glaube, Luiz ist auch hier und versucht zu helfen.«
Manolito bückte sich, um die tiefen Kratzwunden an ihren Beinen zu untersuchen. Aber MaryAnn nahm seinen Arm und zog daran. »Du musst ihr helfen.«
»Ich kann dich in diesem Zustand nicht allein lassen.«
»Das brauchst du auch nicht, denn ich komme mit.« MaryAnn dachte nicht daran, mit ihm zu debattieren, als sie sah, wie er die Lippen zusammenpresste. Und deshalb ging sie einfach nur an ihm vorbei und begann, in Richtung Haus zu humpeln, überzeugt, dass er ihr folgen würde.
Manolito aber hob sie auf und rannte los, drückte sie an seine Brust, während er mit erstaunlicher Geschwindigkeit die Entfernung zum Haus überwand. Im letzten Moment setzte er sie ab, löste sich in Dunst auf und ließ MaryAnn vor der Tür stehen, als er darunter hindurchglitt.
Überall waren Blut und Fell, umgestürzte Möbel, zerbrochenes Glas und zersplitterte Stühle. Ein Jaguarweibchen lag auf der
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