Gefangene deiner Dunkelheit
ihn nämlich retten wirst.«
Absolute Überzeugung schwang in ihrer Stimme mit. Und Vertrauen. Als Manolito ihr einen raschen Blick zuwarf, schimmerten ihre Augen von einer Gefühlsregung, die sein Herz zerfließen ließ. Er konnte sich nicht erinnern, dass irgendjemand ihn jemals so angesehen hatte, nicht ein einziges Mal in all den langen Jahrhunderten seiner Existenz. Er wollte, dass sie stolz auf ihn war; dieser Blick sollte ihm bis in alle Ewigkeit in Erinnerung bleiben.
»Dann erhalte ihn am Leben«, sagte er. »Bring ihn mit deiner Willenskraft dazu zu leben. Du scheinst ja fast jeden dazu bringen zu können, sich deinem Willen zu unterwerfen.«
MaryAnn warf ihm ein entschlossenes kleines Lächeln zu. Ihr Bein schmerzte so sehr, dass es ihr verlockend erschien, in Ohnmacht zu fallen, doch als sie das Gemetzel um sich herum betrachtete, beschloss sie, dass ihre Wunden im Vergleich dazu beinahe bedeutungslos waren. Manolito musste Solange heilen und dann Luiz und schließlich auch ihr Bein. Aber er war gerade erst aufgestanden, und sie wusste, dass Karpatianer beim Erwachen hungrig waren. Sie benötigten Blut, um ihre Energie zum Heilen einzusetzen. »Ich schaffe das schon. Tu, was du tun musst.«
Manolito wandte sich wieder Solange zu. Sie kämpfte gegen seine Anwesenheit in ihrem Bewusstsein an und versuchte, ihn abzuschütteln, war aber viel zu schwach dazu. Er hielt sie auf der Erde fest und ließ ihren Geist nicht entschwinden, als er seinen eigenen Körper verließ und in den ihren eintrat. Er war einer der ältesten und mächtigsten Karpatianer, doch wenn sie nicht so schwer verwundet gewesen wäre, hätte er vielleicht zu einer gefährlichen und brutalen Methode greifen müssen, um ihren Geist mit seinem zu beherrschen. Sie hatte einen eisernen Willen und kämpfte verbissen, um ihn von sich fernzuhalten.
Zuerst dachte er, es sei ihr generelles Misstrauen gegenüber Männern, als er dann aber seinen Geist mit ihrem verschmolz, sah er, dass es Furcht davor war, Juliette und Jasmine könnten erkennen, dass Solange ein Killer war – einer, für den es weder Rettung noch Hoffnung gab. Sie sah für sich keine andere Art zu leben mehr. Sie glaubte nicht, damit aufhören zu können. Irgendwo, irgendwann hatte sie eine Grenze überschritten, von der es kein Zurück mehr gab.
Und dann spürte er auf einmal eine sanfte Wärme in Solanges Bewusstsein eindringen. Er erkannte sogleich MaryAnns Berührung, so federleicht, als wäre sie fast nicht da, aber ruhig und tröstlich; ein Gefühl des Friedens und der Hoffnung, das Solange in ihre Wärme einhüllte und ihr den Glauben vermittelte, dass das Leben gut und voller Schönheit, Abenteuer und Liebe war.
Er vergaß fast, wo er war und was er tat, so sehr bewunderte er diese Frau, die die Gefährtin seines Lebens war. Sie verschmolz so glatt, so nahtlos mit Solange, dass diese unmöglich wissen konnte, dass auch MaryAnn in ihr Bewusstsein eingedrungen war. Er hätte es selbst nicht gemerkt, wenn er nicht Blut mit ihr getauscht hätte, so leicht war ihre Berührung, aber sie erfüllte Solanges Geist mit Hoffnung und Vertrauen. Unter MaryAnns Einfluss wurde Solange entgegenkommender und entspannte sich in diesem beruhigenden Kokon aus Wärme. Es war nicht leicht, diese tröstlichen Schwingungen zu verlassen und Solanges zerfetzte, blutende Organe ausfindig zu machen, um sie von innen heraus zu heilen.
Nur widerstrebend ließ Manolito seinen Geist durch den Körper der großen Katze reisen. Sergio hatte Solange nicht töten wollen, doch sie hatte hart gekämpft, und als der zweite Jaguar sie angegriffen hatte, war dieser nicht so vorsichtig gewesen. Solanges Hauptschlagader war fast vollständig zerfetzt, der Körper des Jaguarweibchens schon voller Blut. Manolito wusste, was das bedeutete und was unternommen werden musste, um ihr Leben zu retten. Er löste sich von allem, was er war, und wurde zu heilender Energie, schloss jede Wunde so schnell wie möglich und verließ sich darauf, dass seine Gefährtin Solange ruhighielt.
MaryAnn hielt den Kopf des männlichen Jaguars in ihrem Schoß, streichelte sein blutbeflecktes Fell und flüsterte ihm sanfte Worte zu, um ihn bei sich zu behalten. Er rang nach Atem, und seine Lungen füllten sich mit Blut. MaryAnn sprach auch mit Solange, aus Angst, dass sie Manolito die Kehle herausreißen würde, falls sie die Verbindung zu ihr unterbrach. Es war eine beängstigende Situation, zwei Menschen am Rande des Todes und niemand
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