Gefangene der Flammen
dass ihre Mutter vollkommen eingehüllt war von der Wolke von Insekten. Sie hatten von allen anderen abgelassen, nur Annabel war von oben bis unten bedeckt mit etwas, das wie winzige Schneeflocken aussah.
La Manta Blanca . Winzig kleine Mücken, die manche auch Moskitos nannten. Riley hatte sich nie besonders für sie interessiert, doch ihre Stiche schon oft genug zu spüren bekommen. Sie brannten wie Feuer, und das Jucken danach machte einen schier verrückt, aber wenn man sich die Haut aufkratzte, infizierten die offenen kleinen Wunden sich sehr leicht. Riley riss eine Decke von einer der Bänke, warf sie über ihre Mutter, zog Annabel auf den Boden und rollte sie herum, in dem Versuch, die winzigen Insekten zu zerquetschen.
»Weg mit der Decke!«, rief Gary Jansen. »So erwischst du sie nicht alle.«
Er zog die Wolldecke weg und hockte sich neben Annabel. Die Hände vors Gesicht geschlagen, rollte sie sich hin und her, um die Insekten loszuwerden, die an jedem Stückchen nackter Haut, in ihrem Haar und auch an ihren Kleidern hingen. Viele waren durch Rileys schnelle Reaktion bereits zerquetscht. Sie fuhr fort, nach ihnen zu schlagen, um ihre Mutter vor weiteren Bissen zu bewahren.
Jubal füllte einen Eimer Wasser, leerte ihn über Annabel und strich mit den Händen über ihren Körper, um die Biester von ihr abzulösen. Die Träger schleppten sofort noch mehr Eimer herbei, um sie über Annabel auszuleeren, während Gary, Jubal und Riley die durchnässten Insekten mit der Decke von ihr abschabten. Schließlich kniete sich auch Ben neben sie und half mit, die letzten Insekten von ihr abzuklauben.
Annabel zitterte heftig, gab jedoch keinen Laut von sich. Ihre Haut wurde leuchtend rot, als tausend winzige Stiche zu dicken Blasen anschwollen. Gary kramte in einer Tasche, die er bei sich hatte, und nahm ein Glasfläschchen heraus. Mit der klaren Flüssigkeit darin begann er, die Stiche einzureiben, was keine leichte Sache war, da es so unendlich viele waren. Jubal hielt Annabels Arme fest, damit sie sich nicht kratzen konnte, als der unerträgliche Juckreiz auf ihren ganzen Körper übergriff.
Riley hielt die Hand ihrer Mutter und versuchte, sie mit sinnlosem Gerede zu beruhigen. Ihre bösen Ahnungen kehrten schlagartig zurück. Die winzigen Mücken hatten sich geradewegs auf Annabel gestürzt. Dabei gab es normalerweise niemanden, der besser auf den Regenwald eingestellt war als ihre Mutter. Pflanzen wuchsen üppig und in Hülle und Fülle in ihrer Nähe. Sie flüsterte mit ihnen, und sie schienen zurückzuflüstern und sie zu akzeptieren, als wäre sie die Mutter Erde selbst. Wenn Annabel daheim in Kalifornien durch ihren Garten ging, war Riley nahezu sicher, die Pflanzen direkt vor ihr wachsen sehen zu können. Wenn der Wald begann, sie anzugreifen, musste irgendetwas sehr im Argen liegen.
Annabel umklammerte Rileys Hand, als die beiden Forscher sie aufhoben und ihr zu ihrem Schlafbereich hinüberhalfen, der durch aufgehängte Laken und Moskitonetze eine gewisse Ungestörtheit bot.
Riley bedankte sich bei den Botanikern und war sich der bestürzten Stille an Bord nur allzu gut bewusst. Sie war nicht die Einzige, der aufgefallen war, dass der Schwarm der weißen Stechmücken nur ihre Mutter und niemand anderen angegriffen hatte. Selbst die inzwischen von ihr abgefallenen Moskitos hatten sich wieder aufgerappelt und krochen auf sie zu, als wären sie darauf programmiert.
»Reib die Stiche damit ein!«, riet Gary Jansen Riley und reichte ihr das Fläschchen. »Ich kann noch mehr herstellen, wenn wir erst einmal im Dschungel sind. Es wird den Juckreiz lindern.«
Riley bedankte sich für das Mittel, und die beiden Botaniker wechselten über ihren Kopf hinweg einen Blick, der ihr Herz gleich wieder schneller schlagen ließ. Sie wussten etwas. Dieser Blick war bedeutungsvoll gewesen. Sie schmeckte Angst in ihrem Mund und wandte schnell den Blick ab.
Annabel rang sich ein halbherziges Lächeln ab und dankte den beiden Männern, die sich zurückzogen, um den Frauen die nötige Privatsphäre zu geben.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Mom?«, fragte Riley, sobald sie allein waren.
Ihre Mutter griff nach ihrer Hand. »Hör mir zu, Riley! Und stell jetzt bitte keine Fragen! Was auch immer geschieht, selbst wenn mir etwas zustößt, du musst auf den Berg hinauf und das Ritual vollenden. Du kennst jedes Wort und jeden Schritt. Führ das Ritual genauso aus, wie du es gelernt hast! Du wirst spüren, wie die Erde sich
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