Gefangene des Meeres
Vorteile geistiger Betätigung das geringe Risiko mehr als auf, wenn es uns aufgrund eines solchen Quiz’ wirklich gelingen sollte, unsere Gedanken von den äußeren Unbequemlichkeiten abzulenken. Vorausgesetzt, wir regen uns nicht auf und fangen nicht an zu brüllen, müßte es ein guter Ausgleich sein. Nur Singen kann ich leider nicht gestatten.«
»Wie schade«, sagte Margaret Murray. »Ich habe einen Spitzensopran.«
»Ich auch«, sagte Jenny Dickson. »Und Quizspiele haben mir noch nie gefallen.«
»Das ist alles sehr schön«, erklärte der Doktor fest, »aber ich muß wiederholen, daß Singen zur Zeit nicht in Frage kommt. Übrigens habe ich den Eindruck, daß wir bei weitem noch nicht alles voneinander wissen.«
»Richtig«, pflichtete ihm Wallis bei. »Wenn sich dieses Spiel so anläßt, wie ich es mir vorstelle, werden wir ohnehin wenig sprechen und viel nachdenken, so daß die Sauerstoffverschwendung ganz unbedeutend sein wird.«
Die Quizfragen würden keineswegs leicht zu lösen sein, erläuterte Wallis, im Gegenteil, sie würden anfangs fast unlösbar erscheinen. Das Spiel werde damit beginnen, daß jeder von ihnen einem Gedächtnistest unterzogen werde. Er denke an Fragen wie: »Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren elften Geburtstag?« oder: »Was stand in der letzten Zeitung, die Sie gelesen haben?« Später sollten die Fragen schwieriger werden, wie zum Beispiel, was von einem bestimmten Kapitel eines bestimmten Buches im Gedächtnis haften geblieben sei oder an welche Einzelheiten eines gewissen, völlig nach Gutdünken herausgegriffenen Tages der Vergangenheit man sich erinnern könne. Sie würden ihr Gedächtnis durchforschen und die Erinnerung immer von neuem wachrufen, bis sie so vollständig und detailliert wie möglich wäre. In Abständen würden sie ihre Fortschritte auf den ihnen jeweils zugewiesenen Gebieten bekanntgeben, aber, wie leicht zu sehen sei, die meiste Zeit würden sie mit Nachdenken verbringen.
Radford griff den Gedanken auf und sagte, viele Psychologen seien der Ansicht, daß keine Erinnerung wirklich verlorenginge, daß sie nur verblaßten und durch geduldiges und beharrliches Befragen wieder ins Bewußtsein zurückgeholt werden könnten. Daß sie sich die Fragen selber stellen würden, spiele keine entscheidende Rolle. Die Mädchen, Dickson und Wallis selbst schlugen Abänderungen und Verbesserungen des Spiels vor, die so lange diskutiert wurden, daß sie schließlich einschliefen, bevor sie beginnen konnten.
Am nächsten Abend jedoch fingen sie ihr Spiel an, unbeholfen und schüchtern zuerst. Aber sehr bald schlug es sie in seinen Bann – es war ein wetteiferndes, endloses, schwieriges Spiel, bei dem keiner gewann und keiner verlor. Es dauerte nicht lange, und sie alle empfanden es als normal, daß jeder von ihnen still unter seinen Decken lag und angestrengt nachdachte, aber keinen Gedanken auf seine Umgebung oder die Schwierigkeit des Atmens verwendete.
Doch die Luft wurde immer schlechter. Wer jetzt am Generator die Pedale trat, hatte seinen Kopf in einem provisorischen Sauerstoffzelt, das aus ihrem stetig abnehmenden Vorrat gespeist wurde. Die anderen hielten sich in der relativ frischen Luft des Gartens auf, der inzwischen beinahe den ganzen Boden des Tanks Nummer drei bedeckte. Zur Schlafenszeit half ihnen das Spiel, doch erwachten sie immer häufiger brüllend und um sich schlagend aus schlimmen Träumen, in denen sie ertranken oder gewürgt wurden. Diese Erscheinung war bei allen gleich, bei den Mädchen vielleicht etwas häufiger als bei den Männern. Das Schlimmste daran war, daß sie nach dem Erwachen immer noch zu ersticken glaubten.
Es wurde unmöglich, nachts zu schlafen, also legten sie sich während des elektrisch erhellten »Tages« abwechselnd im Garten schlafen und verbrachten die Nächte mit dem Spiel. Diese Einteilung bedeutete allen eine Erleichterung, doch kurz darauf begann das Schiff wieder zu sinken, und von neuem tobten zornige und erbitterte Auseinandersetzungen über die Frage, ob man den restlichen Sauerstoff für die Wiedergewinnung der Schwimmfähigkeit nützen oder zur Verbesserung der Atemluft verwenden solle. Dann begann das Wrack knarrende, ächzende Geräusche von sich zu geben, leise zuerst, dann deutlicher und als Vibration überall spürbar. Die »Gulf Trader« begann auseinanderzubrechen.
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Es war ein unglaublich langsamer Prozeß, so langsam, daß sie Zeit hatten, ihre allgemeine und persönliche Panik zu
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