Gefangene des Meeres
bestrebt, vom Thema abzulenken. »Zu reden und gleichzeitig zu treten?«
»An der frischen Luft liegt es bestimmt nicht«, sagte Radford.
Dickson ignorierte die Ablenkungsmanöver. »Meine eigenen schwer erworbenen Erfahrungen in dieser Angelegenheit sind sicherlich von Interesse und Wert für Sie«, erklärte er. »Um zu beginnen, nehmen wir einmal an, daß die beiden Leute gegensätzlichen Geschlechts unter ihrem Sackhaufen sind, daß das psychologische Klima richtig ist und daß die Zusammenarbeit bei der Ausführung des anstehenden Projekts gesichert ist. Die dann noch verbleibenden Probleme betreffen hauptsächlich die Kleidung, die Notwendigkeit, im Dunkeln und in eng begrenztem Raum zu operieren und schließlich die Erfordernis größtmöglicher Stille, damit andere Leute nicht in Verlegenheit gebracht werden oder« – er warf dem Arzt einen bohrenden Blick zu – »beim Frühstück dumme Bemerkungen machen. Als erstes müssen Sie beachten …«
Dickson ging in die Details. Er sprach leise, ernst und eindringlich, und als er beim fünfzehnten oder sechzehnten und letzten Punkt angelangt war, winkte der Arzt ab.
»Gehen wir endlich auf ein anderes Thema über, Dickson«, sagte er lachend. »Ich glaube, Mr. Wallis fühlt sich hier allmählich unbehaglich.«
Einige Tage später wurde es unmöglich, während der Arbeit am Generator zu sprechen, und sie gewöhnten sich daran, daß immer wieder einer von ihnen beim Treten der Pedale ohnmächtig wurde und mit reinem Sauerstoff wiederbelebt werden mußte. Der einzige angenehme Ort war der Garten, während das Licht brannte.
Sie alle atmeten zu schnell, schwitzten trotz der Kälte und fuhren einander wegen jeder Nichtigkeit wie bissige Hunde an. Zuerst hatte Wallis die ständigen Reibereien mit dem Einsatz seiner Autorität zu unterbinden versucht, aber er litt an unablässigen, bohrenden Kopfschmerzen, die ihm jede wache Minute vergällten, und nicht selten ertappte er sich dabei, daß er genauso schlimm knurrte und fauchte wie die anderen. Die bei weitem größte Herausforderung zu solchem Tun bot Margaret Murray, die während der Schlafenszeit wieder von Alpträumen und nervösen Zuständen geplagt wurde, weinte und trotz Wallis’ Bemühungen von neuem ihr verbranntes Gesicht zu verhüllen begann. Nach Meinung des Arztes bemühte sich Wallis nicht genug um sie.
»Ihr Zwinkern hat in letzter Zeit nicht mehr viel Wirkung«, sagte er bei einer Gelegenheit, als sie allein im Garten waren. »Was immer Sie getan haben mögen, daß ein Zwinkern so gute Erfolge zeitigte – jetzt braucht sie ein stärkeres Mittel.«
Wallis mußte dieses Mittel mehrmals verabfolgen, denn das therapeutische Gesetz der mit jeder Wiederholung abnehmenden Wirkung schien auch in dieser besonderen Situation zu gelten. Aber die Medizin war angenehm zu verabfolgen, und so machte es ihm nicht viel aus. Wäre nicht die stinkende, kalte Luft gewesen, von der ihnen die Köpfe zu zerspringen drohten und die sie schon nach einem wenige Sekunden währenden Kuß zwang, sich nach Atem ringend voneinander zu lösen, hätte er sogar Genuß dabei empfunden.
Atmen zu können wurde wichtiger als Wärme. Radford und Wallis und sogar die Dicksons schliefen getrennt, weil sie glaubten, unter dem gemeinsamen Sackhaufen ersticken zu müssen. Vielleicht war es eine psychologische Reaktion, aber sie war stark genug, daß sie von nun an einzeln und mit unbedeckten Gesichtern schliefen. An ruhigen Schlaf war kaum noch zu denken. Sie konnten nur liegen, nach Luft ringen und denken.
»Ich habe mir etwas überlegt«, sagte Wallis eines Nachts gegen Ende Juli. »Schiffbrüchigen in Rettungsbooten wird empfohlen, Lieder zu singen oder Spiele zu veranstalten, um wach zu bleiben. Unser Problem ist nicht, wach zu bleiben, sondern nicht durchzudrehen, weil wir nicht schlafen können.«
Er brach ab, schnaufte ein paarmal und sagte: »Im Prinzip ist unsere Lage die gleiche. Wir müssen unseren Geist trainieren, statt immer nur an uns und unsere Umgebung zu denken. Körperliche Übungen sind nicht möglich, aber nichts hindert uns, die Gehirne zu gebrauchen. Ich hatte an eine Art Quiz gedacht.«
»Sprechen verbraucht Sauerstoff«, sagte Dickson. »Außerdem wissen wir bereits, wie unsere Gehirne arbeiten. Wir haben so oft von uns gesprochen, daß jeder so ziemlich alles vom anderen weiß.«
»Ich bin nicht so sicher, daß Sprechen übermäßig viel Sauerstoff verbraucht«, sagte Radford. »Jedenfalls wiegen die
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