Gefangene des Meeres
nur einen allgemeinen Eindruck der betreffenden Personen vermitteln und unsere endgültige Wahl zu einem recht unsicheren Geschäft machen, enthalten sie doch Anhaltspunkte von unschätzbarem Wert.«
Hellahars anfänglicher Enthusiasmus hatte in dem Maß abgenommen, wie ihm das Problematische der ganzen Angelegenheit klargeworden war. Nun klang seine Stimme ernst, fast bedrückt.
»Zunächst einmal«, erklärte er, »müssen sie in guter körperlicher Verfassung sein, frei von Erbkrankheiten und Gebrechen irgendwelcher Art. Dann müssen sie psychologisch stabil, intelligent und anpassungsfähig sein. Zugleich haben wir auf größtmögliche Differenzierung ihres genetischen Hintergrundes zu achten, denn von der dritten Generation an muß das Problem der Inzucht in Betracht gezogen werden.«
»An welcher Stelle Ihrer Liste rangiert Schönheit?« fragte Deslann mißtrauisch.
Hellahar räusperte sich, schwieg und warf dem Kapitän einen langen, forschenden Blick zu. Dann sagte er: »Wenn Intelligenz, Gesundheit und psychologische Stabilität vorhanden sind, ergibt sich das andere sozusagen von selbst. Eine physisch gesunde und leistungsfähige Person ist normalerweise auch – nun, sagen wir mal: körperlich gut konstruiert. Das ist eine Sache der allgemeinen Konstitution. Ferner könnte man argumentieren, daß eine schöne weibliche Person mit großer Wahrscheinlichkeit geistig ausgeglichener ist als eine häßliche, so daß wir ohnehin gezwungen sind, den ersteren Typ zu wählen. Außerdem ist es meiner Ansicht nach wichtig, daß wir uns für Partnerinnen entscheiden, zu denen wir uns gefühlsmäßig hingezogen fühlen, denn weibliche Personen sind emotionellen Argumenten eher aufgeschlossen als logischen, und um gute Resultate zu erzielen, muß eine beiderseitige emotionelle Bindung möglich sein.«
Hellahar schwieg nachdenklich. »Es gibt viele Gründe«, schloß er dann, »die dafür sprechen, daß wir die am besten aussehenden Partnerinnen wählen.«
»Das freut mich«, sagte Deslann ernst.
Plötzlich mußten sie beide lachen, laut und anhaltend und auch etwas verlegen, denn sie wußten, daß die Situation keinen Grund zum Lachen bot. Sie waren wie zwei Kinder, die im Dunkeln lachten, um zu beweisen, daß sie keine Angst vor dem schwarzen Mann hatten. Es war ein unbehagliches, unbefriedigendes Lachen und zugleich das letzte, das ihnen für lange Zeit beschieden sein sollte.
Seine Idee dem Rest der Mannschaft klarzumachen, war für Deslann alles andere als amüsant, und noch weniger waren es die folgenden Planungen und Anordnungen. An der Verantwortung, die er zu tragen hatte, war nichts Lustiges, ging es doch um nichts weniger als den Fortbestand oder Untergang seines ganzen Volkes.
»Warum können wir nicht einfach zwei Paare erwärmen?« sagte er einige Wochen später, in einer Periode des Zweifelns, zu Hellahar. »Damit hätten wir uns das Problem der geeigneten weiblichen Personen vom Hals geschafft.«
»Das würde nicht gehen«, erklärte der Heiler respektvoll, aber entschieden. »Wir müssen die Kinder lehren, sie einer Ausbildung und Disziplin unterwerfen, die manchmal hart sein wird. Das könnten wir nicht, wenn die Kinder nicht unsere eigenen wären. Außerdem gibt es immer noch viel zu tun, bevor das Problem auftaucht, wie wir unsere künftigen Partnerinnen am besten umwerben können …«
Was sehr wahr war, weil sie vor einigen Tagen beschlossen hatten, die Mannschaft ihre vorbereitenden Arbeiten abschließen zu lassen und die Offiziere in Tiefschlaf zu versetzen, bevor die auserwählten weiblichen Personen erwärmt und zum Leben erweckt würden. Mit dieser Maßnahme hofften sie alle beunruhigenden und möglicherweise störenden Faktoren auszuschließen.
Obwohl ihn vielerlei Probleme mehr unmittelbarer Natur bedrängten, fand Deslann immer wieder Zeit, sich wegen der künftigen Partnerinnen Sorgen zu machen, wenn er in seinen Gesprächen mit Hellahar auch nichts mehr von diesen Sorgen erwähnte. Ein Grund dafür war, daß Hellahar seinerseits aufgehört hatte, das Thema anzuschneiden. Aber eines Tages wurde sehr klar, daß der Heiler diesem Problem beträchtliche Aufmerksamkeit widmete.
Deslann fand ihn im Aufenthaltsraum, wo er ein Band studierte, dessen Titel den Kapitän in Erstaunen versetzte. Es war keine Lektüre jener Art, die er an Bord des Schiffes zu finden erwartet hatte, und daß der Heiler sie las, berührte ihn seltsam. Der Titel lautete: »Das Leben des Targa Wunt«.
»Es
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