Gefangene des Meeres
ohne einen der beiden Kapitäne tun.«
Er brach ab. Die Antwort starrte ihm ins Gesicht. Aber Hellahar fing den Ball auf und sagte leise: »Sie kämen auch ohne den Heiler aus, Gerrol. Der Kapitän könnte ein wenig Hilfe brauchen.«
Nun wußte Deslann, daß auch Hellahar die Antwort gesehen hatte, daß die Worte Gerrols und des Ingenieurs in ihm den gleichen Gedankengang ausgelöst hatten. Sie blickten einander an, während Gerrol die Erwähnung des anderen Kapitäns mit mißbilligendem Schweigen quittierte und die anderen weiterredeten und so taten, als wäre der Lapsus nicht geschehen. Deslann war über die merkwürdigen Einfälle und Aktivitäten des Psychologischen Rates oft verärgert, aber jetzt wäre ihm die Anwesenheit eines seiner Mitglieder sehr nützlich gewesen.
Und nicht nur jetzt. Auch in den kommenden Jahren.
Als er mit Ausnahme Hellahars seine Mannschaft entlassen hatte, beschloß Deslann, dem Heiler ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Daß Hellahar die Antwort genauso schnell gefunden hatte wie er selbst, verletzte seinen Stolz. Vielleicht stellte sich sogar heraus, daß Hellahar zu einer anderen, einfacheren Lösung des Problems gelangt war.
»Hier an Bord des Flaggschiffes haben wir die beste Mannschaft der Flotte«, sagte Deslann. »Unsere Ingenieure, Astrogatoren, Rechentechniker und Nachrichtenleute sind wahrhafte Genies, von den Kapitänen und Heilern ganz zu schweigen. Aber wir müssen dieses ganze hoch spezialisierte Wissen organisieren, nur so können wir etwas erreichen. Es wird lange dauern, bevor wir ihrem Ersuchen um Kühlung stattgeben können.«
»Dieser Aspekt bereitet mir keine Sorgen«, meinte der Heiler. »Sie wissen, daß sie wichtige Aufgaben haben. Was mir Kopfzerbrechen bereitet, ist die Frage, was wir machen werden, wenn die anderen in den Tiefschlaf gehen können. Sollen wir die Auswahl nach körperlicher Tauglichkeit, nach den Erbanlagen oder allen beiden treffen?«
Deslann erkannte, daß Hellahar unabhängig von ihm zur gleichen Lösung gekommen war. Diese erforderte, daß mit Ausnahme von Hellahar und ihm selbst alle Besatzungsmitglieder nur einmal in Tiefschlaf versetzt würden, damit die Gehirnschäden auf ein unbedeutendes Minimum beschränkt blieben, und erst kurz vor Erreichen des Zielgebietes wieder erwärmt würden. Vor der Kühlung müßten sie allerdings ausführliche schriftliche und auf Band gesprochene Zusammenfassungen ihrer Ausbildung, ihrer Pflichten und Kenntnisse liefern, und zwar in einer zugleich vollständigen und so leicht faßlichen Form, daß sie als Lehrmaterial für Kinder geeignet wären.
Die Kinder und Kindeskinder, die in folgenden Generationen auf der Brücke des Flaggschiffes stehen und die gewaltige Flotte zusammenhalten sollten, waren Hellahars und des Kapitäns Verantwortung. Und die zweier unglücklicher weiblicher Wesen, deren Identität bislang noch nicht feststand.
Trotz dieser noch ungeklärten Frage befaßte sich Hellahar bereits eingehend mit ihren Persönlichkeiten, indem er einfach eine Liste jener Eigenschaften und Anlagen aufstellte, die nach seiner Meinung gefährlich oder unerwünscht waren. Der Heiler hatte nicht nur die Idee gleichzeitig mit dem Kapitän gehabt, er war ihm in mancher Hinsicht auch bei der Vorbereitung ihrer praktischen Anwendung voraus.
Die Auswahl einfach nach Gutdünken zu treffen, so erklärte Hellahar, sei aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen. Eine solche willkürliche Auswahl könnte auf körperlich oder geistig ungeeignete Zuchtpartnerinnen fallen, oder diese könnten bereits emotionell an andere Tiefschläfer gebunden sein, was eine psychologische Barriere erzeugen würde, die nur schwer zu überwinden wäre. Selbst ohne diese spezielle Schwierigkeit wäre es, so führte Hellahar weiter aus, nicht leicht, zwei weibliche Wesen zu erwärmen und von ihnen zu verlangen, daß sie sich für die Sicherheit der Flotte und den Fortbestand der Rasse mit ihnen paarten. Angehörige des anderen Geschlechts zu finden, deren Gedankenprozesse nicht von gefühlsmäßigen Überlegungen gefärbt und in einem gewissen Maß bestimmt wären, sei außerordentlich schwierig und problematisch. Wahrscheinlich würden sie an Bord keine Partnerinnen entdecken, die bereit wären, logische Argumente als Ausdrucksform männlicher Werbung zu akzeptieren.
»Glücklicherweise«, fuhr Hellahar fort, »liegt von jedem Langschläfer ein medizinischer und psychologischer Untersuchungsbericht vor. Wenn diese Unterlagen auch
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