Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
verloren.“
„Doch, unsere Hoffnungen“, hatte sie dagegengehalten.
„Ich habe dich. Und Keenan. Ich bin glücklich.“ Das war die Wahrheit. Verflucht nochmal, sie machte ihn dermaßen glücklich.
„Es tut dir weh“, ließ sie nicht locker.
„Das hat es getan“, gab er zu, es würde keine Lügen zwischen ihnen geben. „Es hat teuflisch wehgetan, als mir klar wurde, die Therapie würde nicht anschlagen, aber ich bin darüber hinweg. Ich bin kein Kerl, der Trübsal bläst.“
Ihr Gesicht war weich geworden. „Nein, das bist du wirklich nicht. Du gehst in den Wald hinaus und wirst damit fertig.“
Er konnte ihr ansehen, dass sie immer noch nicht akzeptiert hatte, wie die Dinge sich entwickelt hatten. Aber die Zeit würde es schon weisen. „Ist noch Kaffee da?“, fragte er, als sie im Zelt trockene Sachen für ihn heraussuchte.
„Ich mache welchen, während du dein Äußeres verwandelst.“ Sie warf ihm ein Sweatshirt und eine Jeans zu.
Als er die Hand danach ausstreckte, erfasste ein Krampf seinen Leib. So unerwartet und übermächtig, dass es ihn zu Boden warf. Sein Sehvermögen veränderte sich, die Welt verschwamm vor seinen Augen. Nur aus weiter Ferne hörte er Ashayas Aufschrei und spürte, dass sie neben ihm kniete. Ihre ängstlichen Berührungen fühlten sich anders an als sonst. Seine Sinne waren geschärft, alles war viel zu hell, viel zu deutlich.
Zuerst kam ihm der Gedanke, die Gentherapie wäre ganz schrecklich schiefgelaufen. Als Nächstes wollte er Ashaya unbedingt mitteilen, dass er ihr keine Vorwürfe machte. Es war nicht ihre Schuld. Nur verfluchtes Schicksal. Aber er brachte die Worte nicht heraus, mit seinen Stimmbändern war irgendetwas nicht in Ordnung. Er konnte nicht einmal die Hand nach ihr ausstreckten. Seine Arme gehorchten ihm nicht.
„Gib dich hin!“, hörte er Ashaya rufen. „Kämpf nicht dagegen an! Bitte Dorian.“
Gib dich hin? Wovon sprach sie? Er musste doch kämpfen, so hatte er schließlich bisher überlebt.
„Liebster, bitte. Bitte!“
Ein Teil von ihm überlegte noch, dass Ashaya nie zuvor Koseworte benutzt hatte. Er zog sie gerne damit auf, indem er sagte … Liebe und Bekümmertheit stiegen durch das Band in ihm auf. Leicht salzig, wie eine Bitte unter Tränen.
Er konnte es ihr nicht abschlagen. Niemals würde er das tun.
Deshalb gab er nach.
Ekstatische Qual, reine Freude und brennender Schmerz. Endlos und doch so schnell wie der Flügelschlag eines Kolibris. Dann war es vorbei. Er blinzelte, sah aber immer noch nicht richtig, seine Augen waren zu dicht am Boden. Er öffnete den Mund, um Ashaya zu fragen, warum sie weinte … aber er brachte keine menschlichen Worte heraus.
Ashaya lachte, als sie den Ausdruck auf Dorians Gesicht sah. „Du bist so schön.“ Ein Leopard mit erstaunten grünen Augen und dem nettesten Gesichtsausdruck, den sie je gesehen hatte. „Ach, ich könnte …“ Sie streckte die Hand aus und fuhr über das Fell.
Er gab einen grollenden Ton von sich, der in ihren Fingerspitzen vibrierte.
„Mami!“ Keenan schlitterte auf sie zu, Noor war ihm auf den Fersen und schnappte nach Luft.
Dorian sah hoch und verlor das Gleichgewicht. Ashaya schlang den Arm um ihn und hielt ihn fest. „Langsam. Du musst dich erst daran gewöhnen.“
Keenan ging in die Hocke, stützte die Hände auf die Knie und sah den Mann an, dem er sonst wie ein kleiner Schatten folgte. „Bist du das, Dorian? Ein Leopard! Noor, sieh mal, Dorian ist eine Raubkatze.“
Ashaya spürte den Schock über das Band zwischen ihnen, als Keenans unschuldiger Ausruf den verwirrten Dorian erreichte. „Du bist großartig“, flüsterte sie, denn sein Gehör war ausgesprochen fein. „Unglaublich schön.“
„Dorian ist eine Raubkatze! Dorian ist eine Raubkatze!“ Der sonst so stille Keenan hüpfte um sie herum und zog eine kichernde Noor hinter sich her.
Lachend drückte Ashaya Dorian einen Kuss auf die Nase. „Versuch zu gehen.“
Er schwankte gefährlich hin und her.
Verfluchter Mist!, dachte Dorian. Er war wie ein Junges mit unkoordinierten Gliedmaßen und ungeschickten Tatzen. Na ja, in dem Tier war er ja immer noch ein Mann. Er würde es schon schaffen.
Er spürte etwas auf seinem Fell, ein Streicheln. Eine neue Empfindung, lustvoll. Und dann hörte er ihr Flüstern: „Der Leopard weiß Bescheid. Du musst ihn nicht mehr einsperren.“
Es war, als hätte er nur diese eine Ermutigung gebraucht. Der Leopard übernahm die Führung, der Mann zog sich
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