Gefesselte Lust
mithalten.«
Bevor ich antworten kann, schließt er hinter mir die Tür, und ich stehe mit offenem Mund auf dem Flur.
Aliyah ist eine kleine Frau türkischer Abstammung; sie ist gebaut wie eine Sexbombe und hat eine so rauchige, tiefe Stimme, dass sie selbst mir eine Gänsehaut bereitet. Wenn sie lacht, klingt es wie sexuelle Belästigung. Und sie lacht viel. Dabei wirft sie ihre langen schwarzen Haare zurück, und ihr gewaltiger Busen bebt wie bei einem Erdbeben.
»Glückwunsch!«, begrüßt sie mich. Trotz ihrer Plateauschuhe reicht sie mir gerade bis zur Nasenspitze; dabei halte ich mich selbst nicht für sonderlich groß.
Aliyah führt mich durch die Gänge der achten Etage. Hier ist es ruhiger als in dem Großraumbüro im Erdgeschoss, was aber nur daran liegt, dass es hier sehr viel mehr Einzelbüros gibt. »Eigentlich muss man sich das Privileg, hier reinzukommen, erst verdienen«, sagt sie, doch ihr Augenzwinkern verrät mir, dass sie mir meinen schnellen Aufstieg nicht übel nimmt. Ich entspanne mich etwas.
Ich entspanne mich etwas. »Wer arbeitet denn unten in dem großen Büro?«, frage ich.
Aliyah sieht mich an und grinst. »Wir nennen sie Laufburschen. Im Erdgeschoss passiert die Feinrecherche, und auch die Füllartikel werden dort geschrieben. Hier oben wird das Konzept jeder Ausgabe geplant, die Fotostrecken designt, ausgeführt und geprüft und die jeweiligen Themen in Teams zugeteilt.«
»Eine ziemlich ungewöhnliche Methode«, wage ich einzuwerfen.
»Ja, wir verdanken das alles Jonah. Er hat viel umgekrempelt, als er Chefredakteur wurde, aber es hat sich gelohnt. Unter seiner Leitung wurde B-Touch schnell zum führenden Lifestyle-Magazin in Berlin und später ganz Europas. Derzeit arbeitet die Marketing-Abteilung daran, uns auch in Übersee zu etablieren.«
Wir haben mittlerweile zwei große gegenüberliegende Glastüren erreicht. Hinter jeder befindet sich ein lichtdurchfluteter Raum mit einem großen ovalen Tisch. Die Aufschriften auf den Türen identifizieren die Zimmer als Konferenzraum 1 und 2.
Mir schwirrt der Kopf. Hier ist alles so anders als in meiner alten Redaktion – wie passe ich hier rein? »In welchem Bereich soll ich denn tätig werden?«
Aliyah führt mich weiter den Flur hinunter in ein Büro, in dem sich zwei Schreibtische befinden. Der Raum ist so groß wie meine gesamte ehemalige Redaktion und mit Hängepflanzen, sonnengelben Bildern und Accessoires freundlich eingerichtet. »Du bleibst erst mal bei mir.« Aliyah zwinkert mir zu. »Ich arbeite dich ein. Wir brauchen dich hauptsächlich zur Entwicklung des Titelthemas. Das klingt einfach, aber glaub mir, das ist ein Knochenjob, der dich einmal quer durch die Redaktion treiben wird.«
Sie zieht den Bürostuhl des Schreibtisches direkt vor mir zurück und bedeutet mir, Platz zu nehmen. »Aber ich bin mir sicher, dass du das schon schaffen wirst. Jonah würde sich niemals jemanden für den Posten aussuchen, der nichts drauf hat.«
Ich werde hellhörig. »Wie lange kennst du Jonah eigentlich schon?«
Aliyah grinst wissend. »Bist wohl auch in die Mr.-Sexy-Falle getappt, was? Aber mach dir lieber keine Hoffnungen. Jonah ist als Chef super, aber uns Frauen lässt er gnadenlos abblitzen. Glaub mir, das haben schon viele versucht. Ich eingeschlossen.«
Ich setzte mich auf den Stuhl. Der Schreibtisch ist riesig, doch der Computermonitor füllt ihn gut aus. »Glaubst du, er ist, na ja …«
»Schwul?«, vollendet Aliyah meinen Satz. »Nein, das ganz bestimmt nicht.« Sie lehnt sich vertraulich näher zu mir. »Man hat ihn durchaus schon mit Frauen gesehen, aber sie können sich nie halten. Anscheinend hält er sich an die ‚Bloß keine Kollegin‛-Regel und hat eine Vorliebe für One-Night-Stands. Angeblich war er mal verlobt, aber sie hat ihn sitzen lassen. Seitdem lässt er wohl keine Frau mehr zu nah an sich heran.«
Ich spüre einen leisen Stich – das klingt zwar sehr mondän, aber auch sehr einsam. Fast tut mir Jonah Winter ein wenig leid.
Mein erster Tag bei B-Touch ist voller neuer Eindrücke. Aliyah führt mich in das Arbeitssystem der Redaktion ein und schmeißt mir derart viele Termine um die Ohren, dass mir ganz schwindelig wird. Ich trage alles geflissentlich in meinen Kalender ein, mache mir Notizen und spüre, wie meine Nervosität langsam schwindet. Nicht alles hier unterscheidet sich von meiner früheren Arbeit – und unter all dem schicken Equipment und den hippen Bezeichnungen erkenne ich auch
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