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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Sie Jerry Commanda?«
    »Ob ich ihn kenne? Bis zum Erbrechen!«, bellte Barnhouse. »Mr. Commanda war früher bei der Stadtpolizei, bis er wieder dem Ruf der Wildnis folgte.«
    »Ich bin jetzt bei der OPP«, stellte Jerry sachlich fest. »Eine Leiche mitten im See bedeutet doch wohl, dass Sie eine Autopsie veranlassen werden, Doc, oder?«
    »Sie brauchen mir nicht zu sagen, was ich zu tun habe. Wo ist ’n die Spürnase, die das Teil entdeckt hat?«
    Ken Szelagy trat vor.
    »Wir haben die Leiche nicht entdeckt. Ein paar Kinder sind drauf gestoßen, so gegen vier Uhr nachmittags. Larry Burke und ich hatten Dienst, als der Anruf kam. Wir haben uns die Leiche angesehen, den Fundort abgesperrt und die Zentrale benachrichtigt. McLeod hatte bei Gericht zu tun, deshalb haben wir Detective Sergeant Dyson angerufen, und der hat vermutlich Detective Cardinal hinzugezogen.«
    »Den talentierten Mr. Cardinal«, murmelte Barnhouse vieldeutig. Dann fuhr er fort: »Machen wir uns zunächst mit Taschenlampen an die Arbeit. Ich möchte nicht, dass durch das Aufstellen von Scheinwerfern und so ’nem Zeug hier irgendetwas verändert wird.«
    Er marschierte auf die Felsen zu. Cardinal wollte etwas sagen, doch Jerry Commanda hatte den gleichen Gedanken und kam ihm zuvor: »Aber bitte im Gänsemarsch, Jungs.«
    »Ich bin kein Junge«, bemerkte Kollegin Delorme unter ihrer Kapuze hervor.
    »Na ja«, grummelte Jerry. »Im Moment kommt der kleine Unterschied nicht so gut raus.«
    Barnhouse bedeutete Burke und Szelagy voranzugehen, und in den folgenden Minuten war nur das Knirschen von Stiefeln auf dem vereisten Boden zu hören. Die Kälte biss Cardinal ins Gesicht. Hinter den Felsen, am Ufer des Sees, war das Glitzern einer fernen Lichterkette zu erkennen – das Chippewa-Reservat, Jerry Commandas Revier.
    Szelagy und Burke warteten am Maschendrahtzaun, der den Eingang zum Schacht umgab, auf die anderen.
    Delorme stupste Cardinal mit ihrem gepolsterten Ellbogen an. Sie zeigte auf einen Gegenstand etwa einen Meter vom Gatter entfernt.
    »Leute, habt ihr das Schloss da angerührt?«, fragte Cardinal die beiden Polizisten.
    »Es war schon so«, beteuerte Szelagy. »Wir haben uns gedacht, dass wir’s lieber so lassen.«
    Und Burke ergänzte: »Die Kinder sagen, das Schloss war schon aufgebrochen.«
    Delorme holte eine Plastiktüte aus ihrer Tasche, doch Arsenault, der als Spurensicherungsexperte auf alles vorbereitet war, reichte ihr eine kleine Papiertüte. »Nehmen Sie lieber das hier. Alles, was nass geworden ist, verändert sich in Plastik.«
    Cardinal war froh, dass es gleich passiert war und jemand anderes seine Kollegin noch rechtzeitig gestoppt hatte. Delorme war eine gute Ermittlerin; und darum war sie bei der Sonderermittlung gut aufgehoben. Durch minutiöse Recherchen hatte sie es ganz allein geschafft, einen Ex-Bürgermeister und mehrere Ratsmitglieder hinter Gitter zu bringen. Doch das hatte nichts mit Spurensicherung zu tun. Von nun an würde sie sich aufs Zuschauen beschränken, und das war Cardinal ganz recht.
    Einer nach dem anderen schlüpften sie unter das Absperrband hindurch und folgten dann Burke und Szelagy zum Schachteingang. Szelagy zeigte auf ein paar lose Bretter. »Vorsicht – hier geht’s gut einen halben Meter abwärts, darunter ist blankes Eis.«
    Im Schachteingang verdichtete sich der Schein ihrer Taschenlampen am Boden zu einer unruhigen Lache aus Licht. Durch die Ritzen der Bretterwände heulte der Wind, als ginge es darum, einen Bühneneffekt zu produzieren.
    »Mein Gott«, sagte Delorme mit ernster Stimme.
    Wie die anderen auch, hatte sie bereits Verkehrstote, hin undwieder Selbstmörder und zahlreiche Ertrunkene gesehen – doch das war kein Vergleich zu dem, was sich hier ihren Blicken bot. Alle zitterten vor Kälte, aber eine große Stille senkte sich über sie, als ob sie beteten, und sicherlich taten das auch einige. Auch Cardinals Verstand schien dem Anblick entfliehen zu wollen – zurück in die Vergangenheit, mit der Erinnerung an das Klassenfoto, auf dem eine lächelnde Katie Pine zu sehen war, und nach vorn, in die Zukunft, bei dem Gedanken, wie er es ihrer Mutter beibringen sollte.
    Dr. Barnhouse begann in gemessenem Tonfall: »Wir haben hier die gefrorenen Überreste eines jugendlichen – verdammt.« Er klopfte heftig auf das Diktiergerät in seiner behandschuhten Rechten. »Das Ding macht bei Frost immer Ärger.« Er räusperte sich und setzte noch einmal an, diesmal weniger feierlich. »Wir

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