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Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Titel: Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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N. Gerster entdeckt, ihre Blicke kreuzten sich, sie sagte etwas zu Néro und kam.
    Sie sagte: Hey, Bärchen.
    Schweigen. Abgang der Tonfrau.
    N. sagte, dass sie Moderationstexte für Jean-Jacques und für die Kandidaten schreiben werde, eventuell solle sie sogar in seinem Urlaub moderieren. Die Riesenchance.
    Gerster gratulierte ihr, er sagte: Ich bin sicher, du kannst das.
    Natürlich könne sie das, sagte N., jeder könne das. Die Frage ist nicht, sagte sie, ob man das kann, sondern ob man das machen darf.
    N. fragte, wie lange Gerster auf dem Fest bleiben wolle, sie könnten zusammen spazieren gehen, später, nachdem sie mit den Leuten geredet hatte, die für den Job wichtig waren.
    Gerster machte in den folgenden Stunden Konversation mit Journalisten, mit Drehbuchautorinnen, mit Cutterinnen und Cuttern, mit Medienredakteurinnen und Medienredakteuren, er redete noch einmal längere Zeit mit der Tonfrau und sogar kurz mit Röhrichts gefürchteter Sekretärin, einer verbitterten und dementsprechend bösartigen promovierten Anthropologin, die den Männern, insgesamt, als Gattung, die Schuld an einer Berufstätigkeit gab, die ihrer Qualifikation nicht entsprach. Gerster fragte sie, ob sie denn nie einen Gedanken an die zahlreichen arbeitslosen männlichen, von einer gut bezahlten Sekretärsstelle träumenden Anthropologen verschwende. Er sagte, Lebenskunst bestehe doch darin, sich an dem zu erfreuen, was man hat, statt das zu begehren, was man nicht hat, die Nichtbeherzigung dieser simplen Regel sei das Grundproblem unserer Zivilisation. Aber nichts für ungut, er selber halte sich auch nicht immer an diese Regel. Die Sekretärin machte er sich damit nicht zur Freundin, das spürte er.
    N. näherte sich ihm gegen halb zwei. Aus dem Augenwinkel heraus hatte Gerster beobachtet, wie sie von Gruppe zu Gruppe schlenderte und dabei ihr Flirtgesicht zeigte, aufgestülpte Lippen, große, fragende Augen, wie sie sich in Gartenstühlen räkelte und beide Arme nach hinten beugte, als ob sie ihren Nacken massieren wolle, ständig gefolgt von zwei oder drei Typen, die sie scheinbar nicht beachtete. Der schöne Néro redete mit Röhricht und tat so, als ob er sie vergessen hätte. Um halb zwei also stand sie aus einem Gartenstuhl auf, schlug in der langsam lichter werdenden Menge zwei, drei Haken, um ihre Verfolger abzuschütteln, tauchte in einer dunkleren Stelle des Gartens kurz in das Bambusgehölz des Röhrichtgartens, was die Verfolger endgültig resignieren ließ, kam an anderer Stelle wieder hervor und fasste Gersters Arm.
    Lass uns gehen, sagte sie.
    N. hakte sich unter, zog Gerster wieder zurück in den Bambusurwald, der auf Rindenmulch wucherte, leicht abschüssiges Gelände, zu einem Teich hin, einem Zierteich sehr wahrscheinlich.
    Am Ufer des Teichs seufzte N., legte Gerster beide Arme um den Nacken und küsste ihn. Gerster fasste sie hier an, sie fasste ihn dort an. Es war keine beiläufige, zerstreute Zärtlichkeit zwischen ihnen, sondern eine zielgerichtete, die sich selbst nicht genug ist.
    Lass uns gehen, sagte Gerster.
    Nein, antwortete N., nein, das will ich nicht. Dann geht alles wieder von vorne los.
    Einmal im Monat vielleicht, sagte Gerster. Lass es uns einfach versuchen. Ganz vorsichtig.
    Ich muss Abstand gewinnen, sagte N., und neue Erfahrungen sammeln. Du solltest auch neue Erfahrungen sammeln. Ich mag Männer, die ihr eigenes Leben leben. Keine Hündchen, die mir schwanzwedelnd hinterherlaufen und mich um Streicheleinheiten anflehen.
    Im Frühling melde ich mich wieder, sagte sie, es wird warm sein, wir werden in den Zoo gehen.
    In diesem Moment begann es zu regnen, zuerst nur einzelne Tropfen, dann, nach einigen Sekunden, explodierte der Regen, die Tropfen wurden hart wie Glaskugeln, ein kaltes Trommelfeuer, eine klare Aussage.
    N. hielt ihn fest. Bleib noch ein bisschen, sagte sie. Sie standen bewegungslos im Regen und ließen sich beschießen, der Bambus ächzte und knackte, der Regen wurde immer noch stärker. Sie zitterten vor Kälte. N. flüsterte Gerster ins Ohr, Bärchen, wie schade, wie schade, ich will ohne dich nicht leben, nein, es geht wirklich nicht. Dann löste sie sich, das Wasser lief ihr neben beiden Ohren den Hals hinab und verschwand in ihrem Kragen. Ich muss wieder zurück, sagte N., warte ein paar Sekunden, bevor du nachkommst, ich rufe dich morgen an.
    Gerster kauerte unter einem Baum und versuchte, sich eine Zigarette anzuzünden, aber die Zigarette war zu nass. Der Teich begann

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