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Gefühltes Wissen

Gefühltes Wissen

Titel: Gefühltes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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helfen kann! Da ist doch etwas, was man tun kann! Und wenn's nur ist, dass man ein bisschen Dreck macht.
    Und wenn man dann, kurze Zeit später, die Spinne wieder ein neues Netz, noch größeres Netz spinnen sieht. Dann weiß man: Alles wird gut. Es wird doch ein herrlicher Tag.

1 Wissenschaft, Forschung und anderer Aberglaube
Was anders ist
    Wenn ich früher, nachts, vielleicht ein wenig angetrunken und vielleicht auch in eigenartiger Stimmung nach Hause kam, habe ich in der Regel noch ein wenig auf den Fernseher eingeredet, den einen oder anderen Wäschehaufen beschimpft, in alkoholseliger Spendierlaune 2, 3 Blumen bis an den Rand des Ertrinkens begossen und eventuell noch ein wenig obszöne Gesten vor dem Spiegel geübt. Dann bin ich aber auch irgendwann eingeschlafen und später auch ins Bett gegangen. Damit wars dann gut. Höchstens der Spiegel hat sich am nächsten Morgen gerächt. Das war dann oft nicht schön anzusehen, aber es blieb ja unter uns.
    Wenn ich jedoch heutzutage, nachts, angetrunken, in eigenartiger Stimmung nach Hause komme, kann ich noch mit der ganzen Welt Kontakt aufnehmen. Und das ist nicht gut.
    Ich kann bei Ebay einen Trecker ersteigern, langjährige Freundschaften mit einer E-Mail beenden oder auch Fotos von seltenen Hautkrankheiten auf meine Homepage stellen. Natürlich kann ich auch arglosen Freunden kleine Lieder auf den Anrufbeantworter singen: «Hallihallo, was hältst du von dieser Liedidee? Lall la lala laaaa… wir sind die lustigen… lall la laaa… und dann halt so weiter. Meinst du, die Ironie wird klar?»
    Und wenn ich wirklich noch so richtig länger was von dieser Nacht haben will, kann ich auch der festen Überzeugung sein, dass ich zwar ein bisschen angetrunken bin, aber deshalb doch noch immer in der Lage, aber so was von, aber hallo dermaßen in der Lage, den Anrufbeantworter absolut seriös und vollständig, aber so richtig neu zu besprechen… Die Stimme der Anruferin klang etwas unsicher. Sie sei sich nicht sicher, ob sie wirklich die richtige Nummer gewählt habe. Aus der Anrufbeantworteransage gehe das nicht ganz deutlich hervor. Jedenfalls würde sie gerne mal mit mir über die Fotos auf meiner Homepage sprechen. Ihr habe sich der tiefere Sinn nicht erschlossen, aber vielleicht könne sie mir helfen.
    Schaue auf die Homepage und scheitere gleichfalls beim Versuch, einen Sinn zu ermitteln.
    Im Fax liegt die Bestätigung für einen Karibikflug. Was will ich da denn? Na ja, wahrscheinlich ist mir letzte Nacht irgendwie kalt geworden. So weit verständlich. Höre dann die Anrufbeantworteransage ab:
    «Ja, hallo……hier ist… hier ist… hier ist der Anschluss, hihi… der Anschluss… wieso rufen Sie an? Mal sagen… jetzt… nach dem… ach, machen Se doch, wie Se wollen - piep.»
    Rufe die Frau zurück und erkläre ihr, dass mein Cousin für ein paar Tage bei mir wohnt. Gestern hat er sich wohl etwas zu sehr dem Berliner Nachtleben hingegeben und hier dann noch einigen Unfug veranstaltet. Werde ihm die Nummer weitergeben, glaube aber nicht, dass er sich helfen lassen wird. Er ist sehr dickköpfig.
    Hinterher storniere ich den Karibikflug und gehe dann in die Küche. Sehe, dass mein Cousin offensichtlich in der Nacht auch noch versucht hat, alte Nudeln mit Sauce aufzubraten. Die Saucenspur führt vom Herd zum Tisch, wo die halb leere Pfanne steht. Meine, an der Anordnung der Nudeln in der Pfanne auch noch den Abdruck eines Gesichts zu erkennen. Gehe ins Bad und bekomme Gewissheit. Der Cousin hat auch noch versucht, sich zu waschen.
    Will gerade den Anrufbeantworter neu besprechen, als das Telefon schon wieder klingelt. Mein Nachbar beschwert sich, ich hätte in der letzten Nacht im Treppenhaus eine halbe Stunde lang «Lalla la la laaa… wir sind die lustigen… lala-laaaa…» gesungen. Er glaubt nicht, dass der Song was taugt, und droht mir im Übrigen Prügel an. Erkläre ihm alles und lege auf.
    Rufe dann meinen Cousin an und frage, ob er nicht Lust hat, für ein paar Tage nach Berlin zu kommen. Ich zahle auch die Bahnfahrt. Er muss dafür nur behaupten, er sei schon seit drei Tagen hier, und ein kleines Liedchen lernen. Er ist skeptisch. Langwierige Verhandlungen folgen…
    Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber irgendwie ist das Leben anders geworden. Nicht wirklich besser, auch nicht wirklich schlechter, aber anders, anders schon.

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