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Gegner des Systems

Gegner des Systems

Titel: Gegner des Systems Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Jon Watkins
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einer Menge großer Kissen bedeckt. Eve ging zum anderen Ende des Raums hinüber. Die linke und rechte Wand waren Spiegel. Eve blieb in der Mitte des Raums stehen und beobachtete sich selbst, wie sie in einer unendlichen Kette von Ichs verschwand. „Das ist ganz ähnlich wie der Diminutor“, sagte Welsh, „eine unendliche Anzahl von Ichs, unendliche Zeit, unendliche Energie, direkte Utopie.“
    „Hier fehlt nur noch eins – du.“
    Welsh ging auf sie zu. Eine unendliche Anzahl von Eves hoben ihren Kopf, um eine unendliche Anzahl von Mündern zu treffen, die auf sie zukamen. Eine unendliche Anzahl von Eves wurden von einer zweimal unendlichen Anzahl von Armen umschlungen, eine unendliche Anzahl männlicher Beine ließen sie über ihre Füße nach hinten stolpern und ihr Sturz wurde mit einer unendlichen Anzahl von Händen aufgefangen. Viermal eine unendliche Anzahl von Händen rissen Kleider herunter. Eine unendliche Anzahl von Beinen schlangen sich um eine unendliche Anzahl von Rücken, und zusammen fielen sie die unendliche Entfernung, die auch zwischen Menschen steht, die einander am nächsten sind, ineinander.
    Stunden später öffnete Eve ihre Augen voll Verblüffung. Über ihr stand die Sonne hoch am Himmel und brannte auf die Kuppel und in ihre Augen herab. Der Kasten hatte kein Dach.
    Zuerst griff sie nach beiden Seiten und tastete nach ihren Kleidern. Es mußte lange nach Mittag sein, und fast sicher waren Leute auf der Aussichtsplattform gewesen. Ihre Kleider lagen nicht in Reichweite. Ihr Mann bedeckte sie noch wie eine Decke, den Kopf an ihren Hals gedrückt. Sie preßte ihre Lippen an sein Ohr.
    „Die Kiste hier hat kein Dach!“ flüsterte sie. Sie spürte, wie er lächelte. „Hörst du mich? Es ist kein Dach hier.“ Sie fühlte, wie sich seine Brust vor Lachen wölbte. Sie selbst fing an zu kichern. „Du Schuft. Hast du das gestern nacht schon gewußt?“
    Welsh lachte ihr laut ins Ohr. Sein Gelächter war von einem unterdrückten Kichern zum Röhren angewachsen.
    „Es muß mindestens drei Uhr nachmittags sein, und der Raum ist bestimmt voller Leute!“ Gegen ihren Willen fing auch Eve an zu lachen. „Wir werden ausgestellt!“ Welsh warf seinen Kopf zurück und prustete los. Er rollte nach rechts von ihr herunter auf seinen Rücken und sah zu dem durchsichtigen Glas der Decke hoch. Sein ganzer Körper schüttelte sich vor Lachen.
    Eves Mund öffnete sich überrascht. Sie sah nach oben und erwartete Hunderte von Gesichtern, die in ihr Goldfischglas herabsahen. Es war aber niemand da. Sie fing an wegzukriechen, um nach ihren Kleidern zu suchen, aber Welsh zog sie wieder herab. In den Spiegeln kämpften Tausende von Eves darum aufzustehen, aber Tausende von Armen zogen sie wieder zum Sitzen herab. Sie drehte sich zu Welsh und schlug nach ihm, fest genug, damit er wußte, daß sie wütend auf ihn war, aber nicht zu fest. Wie immer packte er sie am Handgelenk, drückte ihren Arm zu ihr hinüber und schlug sie mit ihrer eigenen Hand sanft auf die Wange. Er schüttelt jeden Kopf.
    „Verdammt noch mal!“ sagte sie ungläubig. „Du mußt verrückt sein. Der Raum hier hat kein Dach!“ Sie versuchte, sich wegzudrehen, aber er zog sie wieder an sich. Er hatte wieder angefangen zu lachen, schüttelte aber heftig den Kopf. Sie verzog ärgerlich den Mund. „Laß mich los!“ In den Spiegeln blitzten Tausende von Augen Tausende von Männern an, die Tausende von Eves hilflos am Handgelenk hielten. Welsh ließ ihr Handgelenk los und hob seine Hand, um ihr zu verstehen zu geben, daß sie eine Minute warten solle, bis er wieder Luft geschnappt hatte. Sie hockte sich auf ihre Waden und wartete. Sie schaute zum Spiegel hinüber; ihre Vorder- und Rückansicht begrüßten sie in zahllosen Wiederholungen.
    „Erstens“, sagte er, „hast du einen unglaublich schönen Körper…“ Sie lächelte leicht und sah zu den Bildern von sich hinüber. Es war tatsächlich ein hübscher Körper, an dem sie sehr viel Spaß hatte. Es war auf jeden Fall ein Körper, an dem Welsh Spaß hatte, aber das war noch lange kein Grund, warum jeder Spaß daran haben sollte. Sie wollte gerade etwas sagen, als er ihr den Finger auf die Lippen legte.
    „Und zweitens“, redete Welsh weiter, „ist das Glasdach von der anderen Seite ein Spiegel. Obwohl ich bezweifle, daß sich hier jemand auf die Zehenspitzen gestellt hätte, um hereinzuglotzen. Jedenfalls hätte das nicht viel genützt, weil derjenige dann doch nichts gesehen

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