Weiberregiment
MANHATTAN
Die englische Originalausgabe erschien
2003 unter dem Titel »Monstrous Regiment«
bei Doubleday/Transworld Publishers, London
Manhatten Bücher erscheinen im Goldmann Verlag,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH
1. Auflage
Copyright © Terry and Lyn Pratchett 2003
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe
2004 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Die Nutzung des Labels Manhattan
erfolgt mit freundlicher Genehmigung
des Hans-im-Glück-Verlags, München
Satz: deutsch-türkischer fotosatz, Berlin
Made in Germany GGP Media, Pößneck GmbH
ebook by Monty P.
ISBN 3-442-54564-1
www.manhattan-verlag.de
Polly schnitt sich vor dem Spiegel das Haar ab und bekam dabei ein
schlechtes Gewissen, weil sie gar kein schlechtes Gewissen hatte.
Eigentlich war das Haar ihre krönende Pracht, und al e nannten es
wundervol , aber bei der Arbeit trug sie es normalerweise in einem
Netz. Sie hatte immer gedacht, dass es an sie verschwendet war.
Nichtsdestotrotz achtete sie darauf, dass die langen goldenen Locken
auf das kleine Tuch fielen, das sie aufnehmen sol te.
Hätte sie zu diesem Zeitpunkt irgendwelche starken Gefühle
zugegeben, dann den Ärger darüber, dass ein Haarschnitt genügte, um
sie als jungen Mann durchgehen zu lassen. Sie brauchte nicht einmal
ihren Busen flach zu binden, was in solchen Fäl en üblich war, wie sie
gehört hatte. Sie verdankte es der Natur, dass es in dieser Hinsicht
kaum Probleme gab.
Die Schere erzielte eine … unregelmäßige Wirkung, aber der
Haarschnitt war nicht schlechter als der vieler Männer. Er würde seinen
Zweck erfül en. Polly fühlte Kühle im Nacken, aber das lag nur zum
Teil am fehlenden Haar. Es lag auch an dem Blick.
Die Herzogin beobachtete sie von ihrem Platz über dem Bett.
Es war kein besonders guter Holzschnitt, und er war mit der Hand,
größtenteils in blau und rot, ausgemalt worden. Er zeigte eine schlichte
Frau in mittleren Jahren, mit durchhängendem Kinn und
hervorquel enden Augen, was Zynikern den Eindruck vermittelte,
jemand hätte einen großen Fisch in ein Kleid gestopft. Doch dem
Künstler war es gelungen, in dem seltsam leeren Gesicht etwas zum
Ausdruck zu bringen. Manche Bilder hatten Augen, deren Blick einem
folgte, wenn man durchs Zimmer schritt. In diesem Fal starrten sie
durch einen hindurch. Dieses Gesicht fand sich in jedem Haus. In
Borograwien wuchs man mit der Herzogin auf, die einen beobachtete.
Polly wusste, dass ein Bild der Herzogin im Schlafzimmer ihrer Eltern
hing, und sie wusste auch, dass ihre Mutter zu Lebzeiten jeden Abend
einen Knicks davor gemacht hatte. Sie griff nach oben und drehte das
Bild mit dem Gesicht zur Wand. Eine Stimme in ihrem Kopf sagte
Nein. Pol y achtete nicht darauf. Sie hatte sich entschieden.
Sie zog die Kleidung ihres Bruders an, stopfte den Inhalt des Tuchs in
einen kleinen Beutel, den sie zusammen mit den zusätzlichen Sachen
ganz unten im Rucksack verstaute, legte einen Zettel aufs Bett, griff
nach dem Rucksack und kletterte aus dem Fenster. Es war Pol y, die
aus dem Fenster kletterte, doch Olivers Füße berührten unten den
Boden.
Die Morgendämmerung machte eine dunkle Welt grau, als sie über
den Hof des Gasthauses huschte. Die Herzogin blickte auch von dem
Schild über dem Eingang herab. Pol ys Vater war ein großer Loyalist
gewesen, zumindest bis zum Tod ihrer Mutter. In diesem Jahr war das
Schild nicht neu gemalt worden, und ein Klecks Vogeldreck ließ die
Herzogin schielen.
Polly vergewisserte sich, dass der Karren des Rekrutierungsfeldwebels
noch immer vor der Taverne stand. Der Regen der vergangenen Nacht
hatte die bunten Fahnen schwer herabhängen lassen und ihre Farben
getrübt. Nach dem Aussehen des dicken Feldwebels zu urteilen, würde
es noch Stunden dauern, bis der Karren wieder auf der Straße war. Sie
hatte jede Menge Zeit. Er schien ein langsamer Frühstücker zu sein.
Sie schlüpfte durch die Hintertür und ging bergauf. Oben blieb sie
stehen und blickte zu dem erwachenden Ort zurück. Rauch kam aus
einigen Schornsteinen, aber das Wirtshaus schlief noch – Pol y stand
immer als Erste auf und musste die Dienstmädchen aus ihren Betten
scheuchen. Sie wusste, dass Witwe Klimm über Nacht geblieben war
(ihr Vater meinte, es hätte so stark geregnet, dass sie nicht nach Hause
zurückkehren konnte), und Pol y hoffte um seinetwillen, dass sie jede
Nacht blieb. Im Ort
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