Gegner des Systems
eigenen Theorien korrumpiert, ebenso wie Sie unwiederbringlich die Geister derjenigen verwirrt haben, die man Ihnen anvertraut hat.“
Welsh stemmte die Hände auf die Hüften und lehnte sich zurück, um tief Luft zu holen.
Sehr wahrscheinlich wurde die Anklage, die Task verlas, mit einem Videorekorder aufgenommen, um irgendwann als historisches Dokument Eingang in die Archive der Regierung zu finden. Task beabsichtigte, seinen Augenblick in der Sonne so lange wie möglich auszudehnen, und er machte eine Pause, um das Gewicht seiner Worte einsinken zu lassen.
Welsh machte nun nach außen hin den Eindruck, als habe er gerade angefangen, seine Irrtümer einzusehen, und holte deshalb tief Luft, um die Last seiner Schuld ertragen zu können. Das würde eine wunderbare Aufnahme für den Bericht abgeben, der in den Nachrichten seinen Prozeß dokumentierte. Den Rest würde man natürlich herausschneiden.
Er konnte die Stimme des Kommentators im Geiste schon hören, wie er erklärte, daß Welsh, als man ihm seine Verbrechen vorhielt, seine Irrtümer einsah und darum bat, terminiert zu werden, um für die Katastrophe, die er ausgelöst hatte, zu büßen. Er fragte sich, wer wohl letztendlich dafür verantwortlich gemacht werden würde, ihn so verdorben zu haben, daß er dann seinerseits all diese jungen Gemüter so unkorrigierbar korrumpierte. Es schien dies ein Schritt in einem sehr komplizierten Spiel zu sein, bei dem das letzte Opfer wirklich sehr mächtig sein mußte. Vielleicht war es sogar der stellvertretende Oberbefehlshaber.
Der Anblick, den Welsh nun bot, war eine ausgezeichnete Tarnung für seinen nächsten Schritt. Als Task fortfuhr, ließ Welsh den Kopf hängen, rundete seine Schultern und steckte die Hände in die Taschen. Er sah genauso aus wie Charlie Chaplin, ein Bild der Schuld und des schlechten Gewissens. Selbst Task war momentan betroffen von dem, was wie ein völlig entwaffnendes Bild von Zerknirschung wirkte.
„Sie haben die Stabilität der Gesellschaft bedroht und sowohl Ihrem Distrikt als auch Ihrer Regierung die riesige Last auferlegt, jene Seuche, die Sie ausgelöst haben, unter Kontrolle zu bringen. Sie sind ein Pestgeschwür in unserer Mitte. Sie verderben die Gemüter unserer Kinder, hetzen sie gegen uns auf, stopfen sie mit Lügen über die Welt um sie herum voll und flößen ihnen Angst ein mit Ihren Geschichten von eingebildeten Mißständen…“
Er legte eine Pause ein, damit die versteckten Kameras eine gute Einstellung von dem Verurteilten bekommen konnten, dem seine Schuld klar wurde.
Der Ausdruck von Schrecken und Verzweiflung, der auf Welshs Gesicht geschrieben stand, rührte nicht von der Schuld her, von der Task sprach, sondern weil es ihm klargeworden war, weshalb man die zusätzlichen Lastwagen herbeigefahren hatte. Sie wollten nicht nur seine Studenten abtransportieren – die gesamte Studentenschaft sollte einer Säuberung unterzogen werden!
Telefonische Befehle, im Dienstzimmer des Dekans, in der Sporthalle, in der Cafeteria oder im studentischen Zentrum zu erscheinen, hätten schon achtundneunzig Prozent all jener in die Universität gebracht, die die Rehabs verhaften wollten. Die Kolonne, die dort vor dem Vorlesungsgebäude stand, würde zu anderen großen Gebäuden weiterfahren, bis man nach und nach all die fünfzehnhundert Studenten ergriffen hatte, die vielleicht einmal Teilnehmer seiner Kurse gewesen waren. Die große Säuberung hatte tatsächlich begonnen.
Die Erkenntnis verblüffte Welsh eine Minute lang. Ganz gleich, was er jetzt noch tat –, die meisten von seinen Leuten würden sie trotzdem erwischen. Das einzige, worauf er jetzt noch hoffen konnte, war, so viele wie möglich von ihnen mitzunehmen. Er zog eine der ,Münzen’ aus seiner Tasche. Er war dankbar dafür, daß sie einen so großen Raum ausgesucht hatten. In einem normalen Büro hätte er die Münze nicht werfen können, ohne selbst von der Explosion getötet zu werden. In einem Raum von dieser Größe würde sie wahrscheinlich für die Hälfte tödlich wirken, außerdem aber jeden, der aufrecht stand, umwerfen.
Er ließ seinen Kopf auf die Brust sinken, ein Bild tiefster Zerknirschung. Langsam hob er seine linke Hand zu seinem Gesicht und bedeckte seine Stirn. Seine rechte Hand brachte er ebenso langsam nach oben, als hätte er vor, sein Gesicht in seinen Händen zu vergraben und zu weinen. Er hatte bereits damit angefangen, mit seinen Schultern Bewegungen zu vollführen, als schluchzte er.
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