Geh aus, mein Herz
Labor gesagt. Typ Palatino, was auf eine halbe Million Besitzer hinwies. Und die Schreibweise glich der mehrerer hunderttausend Schweden und war heutzutage verabscheuungswürdig üblich. Simple Sätze. Keine Unterschrift, kein Heil Hitler oder Sieg Heil.
Ard hielt die Kopie an der rechten äußersten Ecke, als ob das Papier in Ebola-Viren getaucht wäre.
In diesem Brief kamen viele »nicht« vor. Abgesehen vom letzten Satz. Unser Auftrag ist jetzt beendet. Was sollte er damit anfangen? Jetzt war es an der Zeit, Hilfsmittel einzusetzen – die es nicht gab, wenn deren Auftrag tatsächlich beendet war. Er konnte einen Misserfolg im Job ertragen, aber dies hier war etwas anderes.
Ihm fehlte das Mädchen wie eine verlorene Tochter. Ihre mürrische Miene.
Wide hatte gefragt, ja sogar versteckt gedroht, aber die Antworten hatten nichts gebracht. Pontus Nihlén zu erwähnen würde ein Fehler sein. Niemand wollte etwas sagen, da er nicht verriet, wie er sich ihre Namen beschafft hatte, aber er sagte nichts, und das gab ihm ein gutes Gefühl. In zwei Tagen hatte er vier Gespräche geführt, aber es hatte nichts ergeben, nur die gebetsmühlenartige Wiederholung, wie überlegen die rasierten Schädel seien. Diese Jungs befanden sich am Rande, doch selbst das war erschreckend. Bald könnten sie von der Seite aufmarschieren, die Kungsportsavenyn herauf.
Er hatte mit Ard gesprochen und Ard begann wieder klar zu sehen. Wide hatte versucht, das Seine zu tun, aber die Unterwelt, die er aus seiner Polizistenzeit und danach kannte, bewegte sich in anderen Sonnensystemen als die der Faschisten. Keiner der alten Gangster raubte aus politischen Gründen, die schlugen Leute nicht aus glühender Überzeugung nieder.
Und mittendrin: seine frühere Familie.
»Du hast nicht auf meine Nachricht reagiert.«
»Ich hab mit Elsa gesprochen. Hat sie dir das nicht erzählt?«
»Es ist schon lange her, dass du mal mit mir gesprochen hast.«
»Ich war ausnahmsweise beschäftigt.«
»Beim NK?«
»Ja.«
»Du lügst.«
»Ja.«
»Dir ist es egal.«
»Ja.«
»Jonathan«, ausgesprochen mit einem Frostrand um das Wort, aber er meinte sie mitten in der Kälte lächeln zu hören.
»Elisabeth. Es ist nicht, wie du vielleicht glaubst. Ich war mit einem Fall beschäftigt. Besser gesagt, mehreren.«
»Småland.«
»Unter anderem.«
»Bist du jetzt wieder Polizist?«
»Gewissermaßen ja.«
»Ohne Gehalt.«
»Ja.«
»Dann weißt du anscheinend, wo du deine Brötchen herkriegst.«
»Elisabeth – du wolltest doch etwas anderes von mir?«
»Ich würde gern zwischen den Feiertagen verreisen. Bis dahin sind es zwar noch ein paar Wochen, ich weiß, aber können die Kinder in der Zeit bei dir sein?«
»Natürlich.«
»Keine Aufträge?«
»Jetzt fang nicht schon wieder damit an.«
»Okay. Aber es geht?«
»Klar, wie gesagt. Was willst du machen?«
»Verreisen, nur drei Tage.«
»Ja, aber wohin?«
»Nach Kopenhagen. Du kriegst natürlich die Adresse von dem Hotel und die Telefonnummer.«
»Von einem Hotel?«
»Lieber Jonathan, auch ich kann in einem Hotel wohnen.«
»Fährst du allein?«
»Nein.«
Warum machte er das? Warum stellte er diese blöden Fragen? Die Antworten gingen ihn nichts an.
»Mit wem?«
»Du brauchst gar nicht so scheinheilig zu fragen.«
War sie nicht allein? Hatte Elsa nicht an diesem strahlenden Samstag, als sie von Sillvik nach Hause fuhren, gesagt, Mama fühle sich einsam? Dies klang nicht nach Einsamkeit.
»Warum kannst du die Kinder nicht mitnehmen?«
»Jonathan …«
»Ja, du hast Recht. Das geht schon alles in Ordnung. Über die Einzelheiten reden wir später. Tschüs.«
»Jonathan …«
»Tschüs, richte Elsa und Jon aus, dass ich heute Abend anrufe.«
Sie überlegte, woran sie in dem Moment gedacht hatte, bevor sie das Bewusstsein verlor. Sie versuchte es zu finden wie etwas, an dem sie sich festhalten konnte, wenn die Schmerzen im Rücken so stark wurden, dass sie wieder fast ohnmächtig wurde. Sie wünschte, sie wäre ohne Bewusstsein.
Sie dachte an die Eingangshalle vom Präsidium, die alten mit Furnier verkleideten Wände. Es war eine Qual, täglich an ihnen vorbeizugehen, rein und raus in die Fahrstühle, und doch hatte sie sich dort mit mürrischer Miene problemlos bewegt. Dies war ein echtes Problem, noch wusste sie nicht, warum sie hier lag; sie hatte bisher absichtlich vermieden, darüber nachzudenken.
Er hatte noch kein Wort gesagt, aber sie nahm an, dass sie bald seine Stimme
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