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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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man so beiläufig hört.«
    Wide schloss die Augen, öffnete sie wieder.
    »Dieser … andere, den hast du nicht mal hier in der Stadt gesehen?«
    »Nein, ich nicht, aber du vielleicht. Ich würde ihn nicht erkennen«, antwortete Sjögren.
    »Wenn er es war«, sagte Wide.
    »Du, Jon …«
    »Ja?«
    »Eine Frage nur: Warum beschäftigst du dich so sehr mit diesem ›Gesicht‹, das jetzt vielleicht einen Namen bekommen hat? Ich finde keine angemessene Erklärung.«
    »Ich eigentlich auch nicht. Aber ich komme einfach nicht davon los. So was passiert manchmal.«
    »Ich glaube, du hältst dich daran fest, weil du nichts Besseres zu tun hast. Was Sinnvolles.«
    Darauf antwortete Wide nicht. Dann erkundigte er sich:
    »Du erinnerst dich nicht zufällig, wie er hieß?«
    »Ich hab darüber nachgedacht, während wir uns unterhalten haben. Aber ich bin nicht sicher. Ich glaube, er hieß Gunnar oder Gustav – nein, Gunnar, glaube ich, aber ganz sicher bin ich nicht.«
     
    Wide kam vollkommen nüchtern nach Hause. Er setzte Wasser auf, gab das Kaffeepulver direkt in die Tasse, mischte es mit Milch und goss dann das kochende Wasser darüber.
    Er trug die Tasse ins Schlafzimmer und hörte den Anrufbeantworter ab. Ard. Wide wählte die vertraute Nummer. Eine Minute später stand er da mit dem Hörer in der Hand, die dampfende Tasse auf dem Schreibtisch, und sah den Dampf auf dem Monitor des Computers gespiegelt.
    Kajsa Lagergren war verschwunden, und das Bild, das er in diesem Moment von ihr vor Augen hatte, war ihre abwehrende Geste, als er versucht hatte, seinen Anteil der Taxifahrt zu bezahlen.

28
    Ove Boursé stand in Kajsa Lagergrens Büro, die Stecknadel in der Hand. Er steckte sie in die Karte, in den südwestlichen Arm, und das rote Köpfchen blitzte in der Deckenbeleuchtung auf. So. Es war vollendet, soweit er sehen konnte. Das Kreuz hatte keine Lücken oder offenen Arme mehr, es schwebte wie ein roter Adler über der Stadt, und irgendwo dort drinnen in seinen Labyrinthen befand sich Kajsa Lagergren, und der Satan persönlich solle alle Nazis, Faschisten und rechten Idioten holen, wenn sie nicht zurückkäme, und zwar schnell, hatte Ard gesagt, geschrien hatte er es, rot und schweißgebadet, und zum Krieg aufgerufen.
    Sie würden also einen Krieg an zwei Fronten kämpfen. Serienmörder und rechte Überfallbanden, das lief eigentlich auf dasselbe hinaus, hatte Boursé gedacht, den Blick auf das Kreuz und den Stadtplan gerichtet. Fast hätten die Nazis bei ihren Überfällen Leute umgebracht, es war Zufall oder Glück oder die gute Kondition der Opfer, dass sie überlebt hatten. WAM. Weißer arischer Widerstand. Widerstand gegen was?
    Sie hatten ein massives shakedown eingeleitet, ein Ausdruck aus der Kriminalsprache, der Ove Boursé gefiel. Shakedown, sie würden die Schweine so kräftig schütteln, dass sich die Knochen aus den Gelenken lösten. Oder war das nur leeres Gerede? Mit was sollten sie sie schütteln in diesen teuren Zeiten? Mit dem Martinishaker, den Babington einmal auf einem kleinen Fest für das alte Team geschwenkt hatte? Boursé hatte Kajsa Lagergren damals tatsächlich ein bisschen beschwipst erlebt und sie lachen gesehen, sogar mehrere Male.
    Herr im Himmel. Hatte sie das die ganze Zeit mit ihren traurigen, beobachtenden Augen verfolgt? Was machten sie mit ihr? Wie zum Teufel waren sie auf die Idee gekommen, sie zu kidnappen? Würde ein Brief auftauchen?
     
    Wide fühlte sich persönlich herausgefordert, geradezu getrieben zu einem Engagement. Für einen Fachmann war das nicht gut, für Jonathan Wide war es gut. Es erschütterte ihn. Zum Teufel mit der ganzen Professionalität. Oder besser noch, her damit, her mit der inneren Glut und all dem brennenden Zunder, den er mit sich herumtrug.
    Morgens rief er von zu Hause Familie Nihlén an. Pontus war noch nicht zur Schule aufgebrochen, was bedeutete, dass Pontus wieder zur Schule ging und sich die Haare wachsen ließ.
    Pontus hatte heftig mit Kreisen der Skinheads sympathisiert, und Wide hatte sich vor einem halben Jahr mit ihm unterhalten, im Auftrag von Pontus’ Vater. Das hatte – nach einem Rückfall – dazu geführt, dass der Junge es sich anders überlegt hatte. Offenbar.
    Wide holte ihn vor der Villa in Skår ab und fuhr zu der Tankstelle am Sankt Sigfrids Plan, wo er parkte. Sie blieben im Auto sitzen. Pontus Nihlén sah aus, als fürchtete er, ermordet zu werden, hier und jetzt. Das Haar war länger, die Pickel waren weniger geworden. Bald

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