Geheimakte Proteus
übersäten Gänge zu eilen.
Jetzt blitzten rings um sie Pulserschüsse auf.
»Die haben anscheinend ein ganzes Regiment hinter uns hergeschickt!«, schrie jemand.
»Lauft!«, sagte Callin. »Seht zu, dass ihr einen möglichst großen Vorsprung gewinnt! Die werden damit rechnen, dass wir ihnen unterwegs irgendwo einen Hinterhalt legen, und das wird dafür sorgen, dass sie sich langsam bewegen.«
»Keine schlechte Idee«, sagte Tristan.
»Ich habe das im Griff, Bruder«, erklärte Callin.
Sie eilten weiter, setzten ihre Lampen nur sparsam ein. Tristan stellte fest, dass seine Drachennetzhaut in der Dunkelheit eine viel bessere Sicht bot als jedes menschliche Auge, das er je benutzt hatte. Jetzt kamen sie an einen besonders dunklen, feuchten Tunnelabschnitt. Callin zog zwei Gegenstände aus dem Sack, den er die ganze Zeit mitgeschleppt hatte, und gab sie Lani und Tristan.
Tristan musterte den Gegenstand argwöhnisch: eine zehn Zentimeter große Scheibe an einem elastischen Band.
»Was ist das?«
»Ein Spielzeug«, sagte Lani. »Ich, äh, habe neulich eines gekauft. Die Kinder sind ganz wild darauf. Es hat eine Kolonie phosphoreszierender, thermophiler Bakterien unter der Membran.«
»Legt es an«, sagte Callin.
»Wo?«
»Am Kopf würde ich vorschlagen. Und dann lauft ihr so schnell ihr könnt durch diesen Gang.«
Während sie weitereilten, blieb Callin, wo er war, und reichte jedem Mimik eine der Scheiben.
Tristan zog sich in der Dunkelheit das elastische Band über den Kopf und schob sich die Scheibe über der Stirn zurecht.
»Ich glaube, jetzt spinnt Callin«, sagte er. Dann blickte er Lani an und sah die Scheibe mitten auf ihrer Stirn. »Da, schau. Das Ding leuchtet.«
»Deines auch. Die Bakterien reagieren auf deine Körperwärme.«
Er blickte sich um und sah, wie die Scheiben eine nach der anderen grünlich zu leuchten begannen, als die Mimiks sie sich überstreiften.
»Machen uns die Dinger nicht zu Zielscheiben für unsere Verfolger?«, fragte Tristan Callin.
»Vertrau mir, Bruder«, erwiderte der Spinnenmimik. »Dort, wo du jetzt bist, brauchst du das Ding.«
Lani stolperte, aber Tristan fing sie auf.
»Trag sie, Tristan«, erklärte Callin.
»Ist schon gut«, sagte sie. »Ich kann gehen. Ich bin ja kein Kind.«
»Wenn jetzt nicht alles auf Schnelligkeit ankommen würde«, meinte Callin, »würde ich dir zustimmen. Aber je schneller du läufst, desto größer ist die Gefahr, dass du stürzt und dich verletzt. Und Blut können wir hier nicht gebrauchen. Ganz besonders hier nicht.«
Tristan spürte, wie seine Schuppen sich aufrichteten. Er glaubte zu wissen, was Callin meinte.
»Warum nicht?«, fragte Lani.
Tristan hob Lani hoch und trug sie.
»Lass uns einfach tun, was er gesagt hat.« Er wurde schneller. »Wenigstens eine Weile.«
Nach einer schier endlosen Zeitspanne in tiefer Finsternis erreichten sie ein etwas geräumigeres Tunnelstück. Callin sah Tristan an.
»Was meinst du? Ein guter Platz für einen Hinterhalt?«
»Warum fragst du mich? Ich war noch nie in diesen Tunneln.«
»Du bist als Agent ausgebildet worden. Ich bin bloß Gladiator. Krek hat immer alle Befehle gegeben. Ich habe sie bloß ausgeführt.«
Tristan sah sich um. Überall waren Gitter und Nischen.
»Also, wenn wir einen Mimik mit einem Pulser hinter jedes Gitter und in jede Wandnische stellen und dann warten, bis die Rotköpfe aus diesem engen Bereich kommen … dann müssen die Flagger ihr Feuer ausbreiten, und wir können das unsere konzentrieren. Das einzige Problem ist, dass es so verdammt viele sind.«
»Vielleicht werden weniger durchkommen, als du denkst.«
Tristan sah ihn an. »Hast du einen Deal mit …?«
»Iiii-iiih!«
Der Schrei hallte durch die Dunkelheit, und Lani presste sich an Tristan.
»Was war das?«
Ehe Tristan antworten konnte, schrillten weitere Schreie aus dem Tunnel. Und dann andere aus menschlichen Kehlen, Schmerzensschreie und dazwischen das Blitzen von Pulserfeuer.
Callin hatte bereits angefangen, die Mimiks hinter Gittern und in Nischen zu postieren.
»Man nennt sie Wohner«, sagte Tristan.
»Das Wort habe ich schon einmal gehört«, erwiderte sie, während er sie zu einer massiv wirkenden Säule führte. »Krek hat sie dazu benutzt, den Flagge-Scharfschützen zum Reden zu bringen.«
Tristan unterdrückte ein Schaudern. »Ich denke, Wohner könnten selbst Tote zum Reden bringen.«
Er half Callin dabei, die restlichen Mimiks in Stellung zu bringen, als bereits die
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